Kameraüberwachung als Präventionsinstrument im öffentlichen urbanen Raum für den Bahnhofplatz der Stadt Luzern
Am 1. Juni 2008 befürwortete das Stimmvolk der Stadt Luzern ein neues Reglement über die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Infolgedessen wurden Mitte Dezember 2008 sechs Überwachungskameras am Bahnhofplatz Luzern installiert und in Betrieb genommen. Der vorliegende Evaluationsbericht dient der Beantwortung eines Postulats betreffend Begleitung und Auswertung der Videoüberwachung am Bahnhofplatz. Basierend auf der Theorie der rationalen Entscheidung wird mittels statistischer resp. ökonometrischer Methoden der Zusammenhang von Kameraüberwachung und Sicherheitskennzahlen untersucht. Dazu werden u.a. zwei Datensätze der Luzerner Polizei und der Einsatzgruppe Sicherheit, Intervention Prävention (SIP) ausgewertet. Bisherige Forschung zeigte, dass die Auswirkungen von Kameraüberwachung in hohem Mass kontextabhängig sind. Bezüglich der Anwendung auf offenen, urbanen Plätzen ist die Evidenz nicht schlüssig, d.h. es gibt kaum Hinweise auf systematische Erfolge bei der Kriminalprävention in diesem situativen Kontext. Auch in der Analyse der vorliegenden Daten der Luzerner Polizei und der SIP wird kein abschreckender (Netto-)Effekt der Einführung von Kameraüberwachung am Bahnhofplatz auf sicherheitsrelevante Vorkommnisse beobachtet. Am Bahnhofplatz werden nach dem Installationszeitpunkt gar mehr Delikte registriert. Bei der Interpretation dieser positiven partiellen Korrelation ist jedoch Zurückhaltung geboten: Sie reflektiert möglicherweise einen am Bahnhofplatz relativ stärker ansteigenden Kriminalitätstrend, welcher durch Videoüberwachung nicht gebrochen werden konnte, oder ein stimuliertes Melde- resp. Anzeigeverhalten seitens Passanten oder Polizei. Es sind Anzeichen für eine Verlagerung von polizeilich registrierten Delikten in Richtung der (bereits videoüberwachten) RailCity des Bahnhofs Luzern nach Dezember 2008 erkennbar. Bezüglich anderer möglicher und weiter entfernter Ausweichgebiete ist keine Verlagerung feststellbar, diese ist also im vorliegenden Fall sehr lokaler Natur. Bei deliktspezifischer Betrachtung fällt auf, dass der am Bahnhofplatz beobachtete Kriminalitätsanstieg in erster Linie auf eine deutliche Zunahme an Fällen von Drogenkonsum und -handel zurückzuführen ist, v.a. im spezifischen Randbereich des nicht kameraüberwachten Busperrons 2. Das subjektive Sicherheitsempfinden hat sich am Bahnhofplatz in der Beobachtungsperiode nicht verbessert. In der Bevölkerungsbefragung 2009 wird der Platz neu (verglichen mit der Befragung aus dem Jahr 2006) als Problemregion wahrgenommen. Im selben Zeitraum stieg die Akzeptanz von Kameraüberwachung von 48% auf 64% der befragten Personen. Ein anderes Bild als bei der Einführung von Kameraüberwachung zeigt sich bei einer Intervention mit verstärkter persönlicher Präsenz von Sicherheitspersonal. Das repressive Vorgehen und die intensivierte Patroullientätigkeit von Polizei und SIP im sogenannten Vögeligärtli (Sempacherplatz) ab Februar 2008 war mit einem starken Rückgang der erfassten Vorfälle im Interventionsgebiet verbunden.