Welches ist die kalkulatorische Mindestmarge eines Darlehens? Soll ein Kreditvertrag zu bestimmten Konditionen abgeschlossen werden oder nicht? Fragen wie diese müssen der Firmenkundenbetreuer und das operative Kreditmanagement einer Bank täglich beantworten. Um sie zu beantworten, müssen im Sinne des Return/Risk-Verhältnisses des Kreditportfolios optimale - oder zumindest gute - Entscheidungen getroffen werden. Dazu werden entscheidungsunterstützende Systeme herangezogen, die - quasi als "langer Arm" des strategischen Kreditportfoliomanagements - statistische Klassifizierungen nebst Informationen über den Zustand des bestehenden Portfolios zu einem Urteil verdichten. Forderungen an Kunden und Schuldner sind grundsätzlich mit dem Risiko des Ausfalls behaftet: Es besteht immer die Möglichkeit, dass der Kunde aufgrund seiner zukünftigen finanziellen Situation die Forderungen nicht erfüllen kann. Solche Kreditereignisse können vom Gläubiger nur als zufällig modelliert werden. Bis heute gibt es keine Methode, den Ausfall oder Nicht-Ausfall eines Kunden sicher vorherzusagen.Ausgefallene Forderungen stellen eine wichtige Kostenbelastung von Banken und anderen Unternehmen dar.Im Jahr 2003 beispielsweise wurden in Deutschland über 77.000 Insolvenzverfahren gegen Unternehmen eröffnet. Die voraussichtliche offene Forderungssumme belief sich auf ca. 42 Milliarden Euro. Diese Zahl illustriert die Wichtigkeit eines guten Risikomanagements in den Banken. Gleichzeitig ist das Management von Kreditrisiken das Kerngeschäft der Banken.Die über den Referenzzins hinaus zu zahlende Kreditmarge muss neben weiteren Komponenten die Verluste durch Kreditausfälle so überkompensieren,dass auf das eingesetzte Kapital eine risikoadäquate Rendite erreicht wird. In der vorliegenden Arbeit wird von der Steuerung des Kreditportfolios durch RORAC-Kennzahlen ausgegangen. Dieser Controlling-Ansatz kann in operative Entscheidungen umgesetzt werden, indem man in Loan-Pricing-Tools (Software) die Auswirkungen neuer Kreditengagements auf das Portfolio hinsichtlich Risiko und Ertrag abschätzt. Folgende Thesen werden herausgearbeitet:1. Die Neugeschäftssteuerung ist das derzeit wichtigste Mittel zur Portfolioverbesserung. 2. Neugeschäftssteuerung zur Portfolioverbesserung erfolgt, indem man die RORAC-Auswirkungen eines neuen Kreditgeschäftes auf das Gesamtportfolio abschätzt. Am schwierigsten erweist sich dabei bisher die Schätzung des ökonomischen Kapitalbedarfs. 3. Der Beitrag eines Neukredits zum ökonomischen Kapital kann durch einen bedingten Erwartungswert ausgedrückt werden. Dieser ist mit Simulationsverfahren numerisch berechnenbar. 4. Wenn die Ertragsschwankungen des Portfolios durch einen einzigen Faktor erklärt werden, kann dieser Erwartungswert für kleinere Engagements so vereinfacht werden, dass die Berechnung ohne Simulationen möglich ist.Die Formel entspricht dabei dem Ansatz, der der regulatorischen Kapitalunterlegung nach Basel II zugrunde liegt.Dieser Ansatz wird hier dahingehend erweitert, das benötigte ökonomische Kapital in einen systematischen und einen spezifischen Anteil zu zerlegen.Spezifisches Kapital wird für fehlende Adressdiversifikation, also für Konzentrationsrisiko benötigt, systematisches dagegen für Änderungen im ökonomischen Umfeld, die alle oder zumindest viele Kreditnehmer gleichzeitig betreffen können. Diese Zerlegung erweist sich als hilfreich für die Kapitalbedarfsschätzung des Neugeschäfts.5. Für große Kreditengagements ist der Zuschlag an (spezifischem) ökonomischen Kapital (aufgrund von Konzentrationsrisiko) in etwa linear. 6. Mit diesen Punkten kann ein dezentral einsetzbares Loan-Pricing-Tool aufgebaut werden, das im Hinblick auf den Gesamtnutzen einfache Durchschnittsmargen-Rechner oder -Tabellen hinter sich lässt: Es wirkt portfolio-RORAC-optimierend.In einem typischen, zu einem realistischen Grad diversifizierten Portfolio ist das systematische ökonomische Kapital wesentlich größer als das spezifische. Das systematische Kapital lässt sich aber genau vorherbestimmen. Es liegt nahe, diese Beziehung für die Neugeschäftskalkulation zu nutzen. Um den (kleineren) Kapitalaufschlag für spezifisches Risiko aus verbleibender Konzentration zu schätzen, kann auf die aufgezeigte lineare Beziehung zurückgegriffen werden.Die linearen EC-Quoten-Funktionen sind in regelmäßigen Abständen zu validieren und ihre Parameter neu zu schätzen. Wie groß diese Abstände sind, hängt davon ab, welcher Teil des Gesamtportfolios jährlich durch andere Geschäfte ersetzt wird. Rein technisch ist es aber auch kein Problem, die Funktionsaktualisierungen häufig (zum Beispiel wöchentlich) durchzuführen. Da hierbei aber Ressourcen gebunden werden, handelt es sich letztlich um eine Kosten/Nutzen-Abwägung.Ebenfalls ist das Kredit- und Kundensegment, in dem man sich auf das Pricingtool verlässt, genau abzugrenzen. Einige der verwendeten Approximationen verlieren ihre Genauigkeit, wenn sehr große, (portfolio-)strukturverändernde Transaktionen durchgeführt werden. In diesem Fall wird man um die simulationsgestützte Bewertung nicht herumkommen.