Landwirtschaftliche Erzeugnisse erreichen die Verbraucherinnen und Verbraucher in aller Regel in mehr oder weniger verarbeiteter Form, so dass im Endprodukt neben den Agrarrohstoffen noch andere Wertbestandteile enthalten sind. Angesichts der Herausforderungen, mit denen sich der Agrarsektor konfrontiert sieht, wird den landwirtschaftlichen Erzeugungsanteilen am Verkaufserlös für Nahrungsmittelprodukte als Indikator für die anhaltenden strukturellen Veränderungen politisch und gesellschaftlich oft eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Vor diesem Hintergrund berechnet das Thünen-Institut seit über 50 Jahren, welchen Wertschöpfungsbeitrag die Landwirtschaft zu ausgewählten Produkten und Produktgruppen landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten leistet. Die vorliegende Arbeit beleuchtet erstens unterschiedliche Methoden der Anteilsberechnung und stellt sie einander gegenüber, um ihre jeweilige Aussagekraft zu bewerten. Sie fragt zweitens, was die berechneten Erzeugungsanteile der letzten Jahrzehnte uns über das Marktgeschehen in ausgewählten landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten sagen können. Drittens werden die der Anteilsberechnung zugrundeliegenden Daten, ergänzt um einige weitere zentrale Marktindikatoren, analysiert, um weitergehende Einsichten in die Preisbildungsprozesse zu erlangen. Aus den Erfahrungen mit diesen Analysen wird schließlich ein Vorschlag für ein erweitertes Monitoring der Märkte entlang landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten entwickelt. Wir zeigen, dass die Ergebnisse der Anteilsberechnung in erster Linie dafür geeignet sind, einen ersten Einblick in die strukturellen Veränderungen des Sektors im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang zu bieten. Die stärkste Abnahme der Erzeugungsanteile zwischen 1970 und 2020 verzeichnen mit Speisekartoffeln und Schaleneiern die Erzeugnisse, die noch relativ lange in relativ hohem Umfang von der Landwirtschaft direkt vermarktet wurden. Die Auslagerung dieser und anderer Funktionen aus den landwirtschaftlichen Betrieben ist eine erste Ursache dafür, dass die landwirtschaftlichen Erzeugungsanteile langfristig sinken. Die zweite Ursache sind die mit dem starken arbeitssparenden technischen Fortschritt in der Landwirtschaft besonders stark gesunkenen Produktionskosten; und die dritte Ursache sind sich mit dem Wirtschaftswachstum ändernde Konsumpräferenzen, die zum Beispiel dazu führen, dass immer stärker verarbeitete Nahrungsmittel bevorzugt werden. Dass der Trend sinkender Erzeugungsanteile ungefähr seit der Jahrtausendwende gestoppt zu sein scheint, liegt auch an Globalisierung und Digitalisierung, in deren Folge die Arbeitskosten nun über alle Sektoren der Wertschöpfungskette hinweg flächendeckend deutlich sinken. Damit sinken die Produktionskosten der Landwirtschaft nicht mehr stärker als die für Dienstleistungen oder für die Verarbeitung. Unsere weitergehenden Analysen mit den Daten der Thünen-Anteilsberechnung und einigen ergänzenden Daten zeigen vor allem, wie stark die Preisentwicklungen durch die jeweils spezifischen Marktbedingungen geprägt sind. Das bedeutet umgedreht, dass die Preiszusammenhänge eine gute Grundlage für die Charakterisierung und ein Monitoring der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten entlang dreier Dimensionen darstellen. Diese drei Dimensionen sind (1) die inländische Strukturentwicklung (technischer Fortschritt, Spezialisierung und Einkommensentwicklung), (2) die Bedeutung des Weltmarktes für die jeweilige Wertschöpfungskette und (3) Ausmaß und Symmetrie in der Weitergabe von Preisveränderungen entlang der Wertschöpfungskette. Tatsächliche liefern unsere Ergebnisse erste Hinweise auf mögliche Asymmetrien in der Preistransmission. Dabei beobachten wir die bevorzugte Weitergabe von positiven oder negativen Preisentwicklungen auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungsketten sowohl zulasten als auch zugunsten von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Erzeugerinnen und Erzeugern. Im Fazit gibt es zwar viele Fragestellungen, die zu den Erzeugungsanteilen an der Wertschöpfung in Nahrungsmittelprodukten in Beziehung stehen, aber nur wenige, die sich alleine durch die Analyse dieser Anteile und ihrer Entwicklung beantworten lassen. Ein systematisches Monitoring von Preisen und ausgewählten Kontextdaten, das um ausgewählte Analysen ergänzt wird, könnte allerdings dabei helfen, unser Verständnis der Entwicklung von Wertschöpfungsketten und der Faktoren, die sie beeinflussen, zu verbessern.