Aktionsforschung im deutschsprachigen Raum: Zur Geschichte und Aktualität eines kontroversen Ansatzes aus Public Health Sicht
Die deutschsprachige Debatte um den Ansatz der Aktionsforschung unterscheidet sich wesentlich von der angloamerikanischen Debatte. Dort wurde der action research Ansatz in den 1940er Jahren von dem Sozialpsychologen Kurt Lewin entwickelt und erfreut sich als Forschungsstrategie auch heute noch relativ großer Beliebtheit in verschiedenen Disziplinen. In Deutschland wurde die Aktionsforschung in den 1970er Jahren im Zuge einer grundsätzlichen, gesellschafts-, wissenschafts- und methodenkritischen Debatte intensiv diskutiert, verschwand aber nach einer vergleichsweise kurzen Zeit wieder fast vollständig aus dem sozialwissenschaftlichen Diskurs. Dieses Discussion Paper beleuchtet die Geschichte der Aktionsforschung im deutschsprachigen Raum und zeigt auf, dass einige zentrale Begriffe und Anliegen der Aktionsforschung seit den 1970er Jahren weiter entwickelt wurden, unter anderem in der qualitativen Sozialforschung, der Praxisforschung und dem Ansatz der Selbstevaluation. Als Forschungsstrategie sieht die Aktionsforschung eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen unter der Zielsetzung der gemeinsamen Erforschung und Beeinflussung eines bestimmten sozialen Handlungsfeldes und der darin verorteten, professionellen Praxis vor. Die Autor/inn/en argumentieren, dass ein solches Vorgehen im Kontext der aktuellen gesundheitswissenschaftlichen Debatte um Evidenzbasierung sehr relevant ist. In Anlehnung an die Aktionsforschung und andere Quellen haben sie den Ansatz der Partizipativen Qualitätsentwicklung für Public Health entwickelt, der sich insbesondere für Maßnahmen der lebensweltorientierten Primärprävention und Gesundheitsförderung mit sozial benachteiligten Gruppen eignet. Dieser Ansatz wirft jedoch auch methodische und methodologische Fragen auf, die zum Teil in der Tradition der Aktionsforschung stehen, und für deren Diskussion die Konfliktlinien, Erfahrungen und Einsichten der kritischen deutschsprachigen Debatte der Aktionsforschung seit den 1970er Jahren aufschlussreich sind. Das Discussion Paper bespricht ausgewählte Aspekte dieser Geschichte, um die aktuelle Methoden-Debatte in Public Health zu bereichern.