Anpassungsprozesse in der ostdeutschen Energiewirtschaft: Analyse und Bewertung
Der Übergang zur Marktwirtschaft ist in der leitungsgebundenen Energiewirtschaft anders verlaufen als in den meisten anderen Sektoren: Sie wurde nicht in den Wettbewerb entlassen, sondern den wettbewerbsbeschränkenden Regeln der alten Bundesrepublik unterworfen. Eine große Chance für die Schaffung wettbewerbsfreundlicher Strukturen, die auch im Hinblick auf den künftigen europäischen Binnenmarkt angezeigt gewesen wären, wurde hier vertan. • Die Ausgangslage glich in der Energiewirtschaft jener in anderen Sektoren: Administrierte Preise und Versorgungsbeiträge gingen einher mit einer geringen energetischen Effizienz. Durch die sehr starke Ausrichtung auf die heimische Braunkohle waren Aufkommen und Verbrauch im Energiesektor mit einer extrem hohen Umweltbelastung verbunden; die neuen Bundesländer gehörten zu den am stärksten mit Umweltgiften belasteten Regionen in Europa. Die Sanierung, die Modernisierung und der Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur werden einen sehr hohen Kapital- und Finanzmitteltransfer von den alten in die neuen Bundesländer voraussetzen. • Infolge des durch Produktionsrückgänge in der Wirtschaft stark verminderten Energieverbrauchs wurde im Braunkohlensektor ein Gutteil des notwendigen Anpassungsprozesses bereits vollzogen: Die Förderung und die Belegschaft haben sich dort fast halbiert. Langfristig wird aber nur ein Drittel der ursprünglichen Förderung im Wettbewerb zu sichern sein. Auch dies setzt allerdings voraus, daß in erheblichem Umfang Stromlieferungen von den neuen in die alten Bundesländer vorgenommen werden, sobald die Zusammenschaltung der Netze dies erlaubt. Unausweichlich wird dann auch das Ausmaß der Protektion des heimischen Steinkohlenbergbaus sowie die Förderung für die Verstromung neu durchdacht und entschieden werden müssen. • Die Elektrizitätswirtschaft und die Gaswirtschaft wurden bereits privatisiert, jedoch ist dort der Anpassungsprozeß wegen einiger Konflikte und Auseinandersetzungen ins Stocken geraten. Im Stromsektor bremst ein Streit um die Stromverträge und um die Gründung von Stadtwerken die Investitionstätigkeit. Anders als bei den Verkehrsbetrieben haben die Gemeinden ein starkes Interesse an einer Kommunalisierung der Energieversorgungsbetriebe und wollen diese durch eine Verfassungskiage erzwingen. Im Gassektor ist ein Konflikt um die Höhe des Preises für russisches Erdgas zwischen dem bisher alleinigen Netzbesitzer, der Verbundnetz Gas AG, und dem bisherigen Alleinlieferanten, der Wintershall Erdgas Handelshaus GmbH, ausgebrochen. Auch hier werden wohl die Gerichte das entscheidende Wort zu sprechen haben. • Im vergangenen Jahr wurde die Preisbindung für Energieträger stufenweise aufgehoben, und die Höchstgrenzen für die Grundmieten sowie die "warmen Betriebskosten" wurden deutlich angehoben. Daher machte sich der Übergang zur Marktwirtschaft für die Privaten Haushalte vor allem in drastisch höheren Preisen bemerkbar. Gleichwohl ist der Anteil dieser Ausgaben an den Haushaltseinkommen in den neuen Bundesländern auch nach dem 1.10.1991 noch deutlich niedriger als in den alten Bundesländern.