Angesichts der Bedeutung ausländischer Direktinvestitionen in den globalen Wirtschaftsbeziehungen ist ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) zwingend notwendig. Dieses sollte die Liberalisierung der Etablierung und des operativen Geschäfts ausländischer Investoren induzieren wie auch deren umfassenden Schutz vor Enteignung gewährleisten. Die investitionsbezogenen Bestimmungen der relevanten WTO-Verträge werden diesen Anforderungen in unterschiedlichem Maße gerecht.In der Warenhandelssphäre adressiert nur das Agreement on Trade-Related Investment Measures (TRIMS-Abkommen) investitionsrelevante Aspekte direkt. Die Reichweite des Abkommens ist jedoch gering. Unter Berufung auf zwei Bestimmungen des GATT, dem Verbot quantitativer Beschränkungen und dem Gebot der Inländerbehandlung, werden sechs Restriktionen des operativen Geschäfts untersagt und mit der Verpflichtung belegt, sie binnen definierter Fristen abzubauen. Bestimmungen zur Liberalisierung der Niederlassung oder zum Schutz ausländischer Investoren vor Enteignung weist das Abkommen nicht auf. In der Sphäre des Dienstleistungshandels ist der investitionspolitische Status quo ein anderer. In der Erbringungsart der Commercial Presence begründet, intendiert das General Agreement on Trade in Services (GATS) neben der Außenhandelsliberalisierung auch die Liberalisierung und den Schutz dienstleistungsbezogener Direktinvestitionen. In seinen investitionsbezogenen Bestimmungen kommt es daher, trotz konzeptioneller Schwäche, den Anforderungen an ein multilaterales Investitionsabkommen inhaltlich sehr nahe.Auch die potentielle investitionspolitische Reichweite der beiden Abkommen divergiert stark. Das TRIMS-Abkommen, als ein Handelsabkommen konzipiert und auch umgesetzt, definiert lediglich die Behandlung, die dem Endprodukt der Wertschöpfungsaktivitäten des Investors, seiner Handelsware, zu gewähren ist. Rechte des ausländischen Investors, so das Recht auf Etablierung oder auf Schutz vor direkter oder indirekter Enteignung, werden sich auch zukünftig nicht ableiten lassen. Das Erweiterungspotential des Abkommens beschränkt sich daher grundsätzlich auf die Liberalisierung des operativen Geschäfts. Indes sind auch hier keine substantiellen Vertragserweiterungen zu erwarten, da für jede zu untersagende Maßnahme ein hinreichend großer Handelseffekt nachzuweisen ist. Dieser Nachweis ist nur in Ausnahmefällen möglich.Die Gleichstellung der Erbringungsarten des Cross Border Supply und der Commercial Presence neutralisiert hingegen die exklusiv handelspolitischen Zielsetzungen des GATS so vollständig, daß dieses Handels- und Investitionsabkommen ist. Grundsätzlich ist es daher möglich, alle Anforderungen eines MAI in das GATS zu integrieren. Auch die konzeptionelle Schwäche des GATS steht dem nicht entgegen. Komplexität und Dynamik des WTO-Systems wie auch die Vielfalt der Verhandlungspositionen sind so groß, daß das Beharrungsvermögen einzelner Systembestandteile überwunden werden kann.Gegenwärtige und potentielle Reichweite der Verträge der Waren- und Dienstleistungssphäre divergieren in investitionspolitischer Hinsicht also erheblich. Unter der Zielsetzung diese Asymmetrien zu beheben, könnten in der gegenwärtigen Struktur des WTO-Systems zwei Alternativen in Betracht gezogen werden. Es bestünde zum einem die Möglichkeit, die Reichweite der investitionsbezogenen Bestimmungen des GATS auf die des TRIMS-Abkommens zu reduzieren. Zum anderen könnte versucht werden, mit dem Hinweis auf den Handelseffekt jeder investitionspolitischen Maßnahme die Investitionsthematik in die Warenhandelsverträge zu integrieren. Beide Möglichkeiten sind zu verwerfen. Die erste Alternative eliminierte die investitionspolitischen Fortschritte der Uruguay-Runde, die zweite Alternative wäre ein Hilfskonstrukt, das das grundsätzliche Dilemma des WTO-Systems, dessen Handelszentrismus, konservierte. Die Eliminierung der investitionspolitischen Asymmetrien ist somit in den bestehenden Vertragsstrukturen nicht sinnvoll möglich. Da auch eine horizontale Ausweitung des GATS auf die Sphäre des Warenhandels u.a. aufgrund der konzeptionellen Schwäche dieses Abkommens nur bedingt zielführend wäre, ist es unumgänglich, den Zwang bzw. die Gelegenheit der mangelnden Alternative nutzen, den Handelszentrismus des globalen Ordnungsrahmens zu überwinden und die Welthandelsordnung in eine Weltwirtschaftsordnung zu überführen. Dies setzte vier Schritte voraus: 1. Bereinigung der multilateralen Handelsordnung um sachgebietsfremde Aspekte 2. Ergänzung der Handelsordnung um ein eigenständiges multilaterales Investitionsabkommen und eine multilaterale Wettbewerbsordnung3. Revision der nationalen und multilateralen Einflussbereiche4. Neudefinition der Rechtsstellung nicht-staatlicher Wirtschaftssubjekte Mit Umsetzung dieser Maßnahmen würde der Transformationsprozess der Uruguay-Runde abgeschlossen und der multilaterale Ordnungsrahmen den Gegebenheiten einer globalisierten Welt angepasst.