Zur Bedeutung längerfristiger Arbeitsbeziehungen und betriebsinterner Teilarbeitsmärkte : vertragstheoretische Überlegungen und arbeitsmarktpolitische Implikationen
"Längerfristige Beschäftigungsbeziehungen und betriebsinterne Teilarbeitsmärkte erfahren in diesem Beitrag zunächst eine vertragtheoretische Deutung: Explizite Arbeitsverträge werden ex ante in allgemeiner Form abgeschlossen, bevor ex post individuelle Arbeitsbeziehungen gestaltet werden. Nach den Merkmalen von Arbeitsverträgen läßt sich eine prinzipielle Notwendigkeit impliziter Vereinbarungen aus der strategischen Interdependenz des ex post-Verhaltens der Akteure in längerfristigen betrieblichen Arbeitsbeziehungen ableiten. Implizite Vereinbarungen, wie Verhaltensgewohnheiten oder soziale Normen, gelten in längerfristigen betrieblichen Arbeitsbeziehungen als Anreiz- oder Sanktionsmechanismen zur beiderseitigen Vertrauensbildung und Erleichterung kooperativer Verhaltensweisen. Erfahrungsgestützte Erwartungen bewirken eine Verstetigung der betrieblichen Beschäftigungsbeziehungen. Aus der Sicht vertragstheoretischer Überlegungen lassen sich betriebsinterne Teilarbeitsmärkte entsprechend als Instrumente zur Verstetigung der betrieblichen Arbeitsbeziehungen und zur Bildung relativ geschlossener betrieblicher Beschäftigungssysteme einordnen. Betriebsinterne Teilarbeitsmärkte bilden induktive Rahmenkonzepte strategisch ausgerichteter Bereiche der betrieblichen Personalpolitik; sie dienen vornehmlich einer längerfristigen Kooperation in den betrieblichen Arbeitsbeziehungen und der beiderseitigen Realisierung von Kooperationsrenten. Empirische Indikatoren zur relativen Bedeutung betriebsinterner Allokation und externer Fluktuation liefern die Ergebnisse der Job Turnover-Untersuchungen bzw. der Schätzungen der wahrscheinlichen betrieblichen Beschäftigungsdauer. Die vorliegenden Ergebnisse lassen auf eine relative Dominanz betriebsinterner Teilarbeitsmärkte in großbetrieblichen Sektoren und Regionen der BR Deutschland schließen. Die arbeitsmarktpolitischen Implikationen werden exemplarisch in zwei Bereichen untersucht: Die regionalen Prioritäten der Weiterbildungs-Förderung entsprechen nicht den regionalen Strukturschwerpunkten des betriebsexternen Strukturwandels der Beschäftigten. Die problematische Entwicklung der Arbeitslosigkeit erfährt vor dem Hintergrund der Dominanz betrieblicher Teilarbeitsmärkte eine spezifische Deutung. Sozialpläne stellen aus vertragstheoretischer Sicht vorrangig ein selektives Instrument zur vorzeitigen Beendigung von längerfristigen Arbeitsverträgen dar. Zuvor erwirtschaftete Kooperationsrenten aus längerfristigen Arbeitsverträgen werden nachträglich als monetäre Anreize zur Ausgliederung aus dem Betrieb gezahlt, als eine Art von Vorteilausgleich zum Ende der individuellen Arbeitsbeziehungen. Die überbetrieblichen Arbeitsmarkteffekte müssen problematisiert werden." (Autorenreferat)