Der Industriezensus von 1936 als Grundlage einer neuen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für Deutschland
Das 1965 von Walther G. Hoffmann publizierte Werk zum „Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts“ gilt noch stets als Standardwerk zur volkswirtschaftlichen Ge-samtrechnung. Ökonomen, Wirtschafts- und Sozialhistoriker sowie politisch orientierte Ge-schichtswissenschaftler verwenden die bis 1850 zurückreichenden Zeitreihen seit Jahrzehnten un-kritisch für internationale Vergleiche und als Ausgangsmaterial. Für das Basisjahr 1913 ermittelte Hoffmann das Niveau des Nettosozialprodukts oder Volksein-kommens und verknüpfte mit dieser Schätzung Mengenindizes und Wertreihen für die Jahre davor und danach. In unserer Kritik stellen wir heraus, dass dieses Niveau von 1913 deutlich zu niedrig angesetzt ist. Für einen Alternativansatz schlagen wir 1936 als Basisjahr vor. Für dieses Jahr hatte das Statistische Reichsamt zum ersten Mal für Deutschland umfangreiche Daten zu weit über 200 Industriezweigen nach dem angelsächsischen Konzept des Brutto- und Nettoproduktionswertes er-hoben. Wegen der Kriegsvorbereitung wurden diese Daten weitgehend geheim gehalten und 1939 lediglich teilweise veröffentlicht, wobei strategische Bereiche verschleiert wurden. Diese verzerrten veröffentlichen Daten benutzte Hoffmann als konstante Gewichte zur Verknüpfung seiner Volu-menindizes über die Industrieproduktion. Wir verwerten die im Bundesarchiv lagernden Originaldaten, um entsprechend den Quellen sektoral differenzierte Netto- und Bruttoproduktionswerte zu ermitteln. Zugleich werden alle Einsatzfakto-ren erfasst, mit denen für das Jahr 1936 eine umfassende Input-Output-Tabelle konstruiert werden soll. Damit würden die ursprünglichen Pläne des Statistischen Reichsamts verwirklicht werden. Damals waren sie daran gescheitert, dass die Zensusdaten vorrangig der statistischen Vorbereitung der Kriegswirtschaft dienen sollten und in anderer Form ausschließlich als Mengendiagramme er-stellt worden waren. Wir präsentieren erste Teile dieser Input-Output-Tabelle.