Der Nord-Ostsee-Kanal in der Krise: Plädoyer für eine Reform
Die wirtschaftliche Lage des Nord-Ostsee-Kanals ist durch eine fortlaufende Abnahme der Zahl der Passagen und eine Verminderung der abgabenpflichtigen Schiffstonnage gekennzeichnet; die durch den Kanal beförderte Ladungsmenge schwankt etwa um das Niveau von 1970. Der ungünstige Trend hat politische und technisch-ökonomische Ursachen: Verkehr verlagerte sich auf die Fährlinien innerhalb des Ostseeraums, Steigerungen von Schiffsgrößen und -geschwindigkeiten ließen den Vorteil der Kanalbenutzung für die Reeder abnehmen. Der Zerfall des RGW löste einen Strukturwandel in der (Linien-)Schiffahrt seiner Mitgliedsländer aus, der zum Verlust von Großschiffsverkehr durch den Kanal führte. Folge sind rückläufige Einnahmen und von den Nutzern oft als zu hoch angesehene Kanalgebühren bei anhaltend steigenden Kanalbetriebskosten. Da es nur einen geringen Spielraum für Gebührenerhöhungen gibt, mit denen die Einnahmen des Kanals gesteigert werden könnten, müssen vorrangig die Betriebskosten verringert werden. Es geht besonders um den hohen Personalkostenanteil, der die Vergütungen der freiberuflich, jedoch auf der Basis administrativ festgelegter Tarife tätigen Lotsen und Kanalsteurer einschließt. Zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz bietet sich die Überführung des Kanalbetriebes in eine privatwirtschaftliche Rechtsform an. Ein geeigneter Betreiber kann durch eine internationale Ausschreibung gesucht werden. Mit ihm würde die Bundesrepublik einen Betriebsvertrag abschließen. Allerdings wird auf öffentliche Zuschüsse nicht verzichtet werden können; ihre Höhe müßte jeweils für begrenzte Zeit im voraus vertraglich festgelegt werden. Um die Betriebskosten des Kanals zu verringern, sollten verstärkt moderne Techniken eingesetzt werden, insbesondere im Bereich der Telekommunikation. Ferner sollte man die derzeit vier unterschiedlichen Kanalabgaben künftig in einem einzigen „Kanalgeld" zusammenfassen, das der Kanalbetreiber von den Nutzern (Schiffen) erhebt. Auf lange Sicht wird in allen Betriebsteilen eine Anpassung an die gesunkenen und möglicherweise noch weiter sinkenden Verkehrsmengen erforderlich sein. Anpassungsmaßnahmen beim Personalbestand müssen darauf abzielen, in Verbindung mit dem natürlichen Abgang zu einer Personalverringerung zu gelangen, die eine Kostensenkung ermöglicht, ohne die Sicherheitsanforderungen zu verletzen.