Freihandel
Auch nachdem die globale Finanzkrise und die Eurokrise überstanden sind, sucht die Welt nach neuen Wachstumsimpulsen. Die Liberalisierung des internationalen Handels gehört zu den Erfolg versprechenden Instrumenten. Die Kontroversen über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) zeigen allerdings: Handelsliberalisierung ist zunehmend komplex. Es geht nicht mehr nur darum, Zölle und andere Handelshemmnisse zu beseitigen, es sind auch vielfältige Wünsche der Bevölkerung hinsichtlich Sicherheits- und Qualitätsstandards der gehandelten Güter und Dienstleistungen zu berücksichtigen. Die Aussicht auf mehr Wirtschaftswachstum allein reicht nicht mehr aus, um die Bevölkerung von den Vorzügen des Freihandels zu überzeugen. Ungeachtet dessen würden die zwei größten Wirtschaftsräume der Welt - zusammen sind die USA und die EU für knapp die Hälfte des Welt-BIP verantwortlich - durch das TTIP-Abkommen noch enger miteinander verbunden. Für die EU könnte das Abkommen langfristig einen Zuwachs in Höhe von bis zu rund 0,5 % des BIP bedeuten, das entspricht rund 120 Mrd. Euro. Während die gesamtwirtschaftliche Bedeutung damit überschaubar bliebe, würden einzelne Branchen und Unternehmen deutlich profitieren. So würde durch das Handelsabkommen die weltweit größte Chemie-Handelszone entstehen. Zusammen erwirtschaften die EU und die USA gut 34 % des globalen Chemieumsatzes (China: 31,4 %). Das Aushandeln von globalen Handelsabkommen wird immer komplexer und schwieriger. So wird es in den nächsten Jahrzehnten handelspolitisch zu einer weiteren Regionalisierung kommen. Multilaterale Liberalisierung im Rahmen der WTO wird also vorerst weiter auf Eis liegen. Entsprechend erwarten wir Reformen innerhalb der WTO, die der handelspolitischen Regionalisierung Rechnung tragen. Viele der heutigen Schwellenländer werden dabei eine zentrale Rolle spielen, insbesondere in Asien. Sie werden ihren Handel am stärksten liberalisieren und ihren Anteil am Welthandel ausbauen. Dabei werden zwischen den Ländern zunehmend Güter gehandelt, die sich nicht mehr in ihrer Produktnatur, sondern vor allem durch unterschiedliche Varianten des gleichen Produkts unterscheiden. Insgesamt wird die weitere Handelsintensivierung in Kombination mit einigen anderen absehbaren Trends die Wirtschaft spürbar verändern. So erwarten wir beschleunigtes Wachstum durch einen rasanten Investitionswettlauf. Dabei dürfte die Mittelschicht in den Industrienationen weiter schrumpfen, und bei der Einkommens- und Vermögensverteilung kann es zu weiteren Konzentrationsprozessen kommen. Die global vernetzte Wirtschaft wird durch noch mehr Arbeitsteilung und Spezialisierung zwar effizienter, dafür aber auch krisenanfälliger sein. Schon kleinere Fehlentwicklungen können große wirtschaftliche Folgen haben. Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind deshalb aufgefordert, Konzepte für mehr »Fehlerfreundlichkeit« zu entwickeln. Vorerst muss die Wirtschaftspolitik aber darauf vorbereitet sein, dass sie auch künftig im Falle einer Krise als Akteur benötigt wird. Auch dafür müssen finanzpolitische Reserven gebildet werden.
Year of publication: |
2014
|
---|---|
Authors: | Dietrich, Victoria ; Hungerland, Fabian ; Quitzau, Jörn ; Sonnberg, Carolin ; Puckelwald, Johannes ; Vöpel, Henning ; Wolf, André |
Publisher: |
Hamburg : Berenberg Bank und Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) |
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freely available
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