Herbstgrundlinien 2012
von Ferdinand Fichtner, Simon Junker, Guido Baldi, Jacek Bednarz, Kerstin Bernoth, Franziska Bremus, Karl Brenke, Christian Dreger, Hella Engerer, Christoph Große Steffen, Hendrik Hagedorn, Axel Heuer, Dorothee Ihle, Moritz Lerzer, Katharina Pijnenburg, Kristina van Deuverden
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wird im zweiten Halbjahr 2012 an Schwung verlieren, im kommenden Jahr wird sie sich aber wieder etwas dynamischer entwickeln. Im Jahresdurchschnitt 2012 wird das reale Bruttoinlandsprodukt das Vorjahresergebnis um 0,9 Prozent übertreffen, im kommenden Jahr steigt es mit 1,6 Prozent. Die Expansion ist in erster Linie durch die binnenwirtschaftliche Dynamik getrieben; die moderate Schwächephase wird den Arbeitsmarkt nur wenig belasten. Die Arbeitslosenquote, die dieses Jahr auf knapp sieben Prozent gesunken ist, wird im Durchschnitt des nächsten Jahres wieder etwas über der Sieben-Prozent-Marke liegen. Dennoch werden die verfügbaren Einkommen deutlich expandieren, wodurch sich schließlich der private Konsum beleben wird. Die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Krise im Euroraum sind zuletzt in Folge des Beschlusses der Europäischen Zentralbank, gegebenenfalls unbegrenzt Staatsanleihen an den Sekundärmärkten aufzukaufen, etwas zurückgegangen. Für die konjunkturelle Entwicklung in der Währungsunion wirkt dies stützend. Vor allem die Wirtschaft in den Krisenländern, aber auch im Euroraum als Ganzem, dürfte im kommenden Jahr trotzdem nur wenig wachsen. Auch global bleibt die konjunkturelle Dynamik zunächst gedämpft. Die in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften anhaltend hohe Arbeitslosigkeit sowie die Verschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte belasten die wirtschaftliche Entwicklung. Die Schwellenländer bleiben deutlich hinter dem dynamischen Wachstum in den Vorjahren zurück. Allerdings dürfte dank anhaltend expansiv ausgerichteter Geld- und Finanzpolitik die Konjunktur zunächst in den Schwellenländern, im weiteren Verlauf dann auch in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wieder etwas an Tempo gewinnen. Auf die deutsche Konjunktur wirkt das schwächere weltwirtschaftliche Umfeld zunächst dämpfend; ab dem kommenden Jahr sind aber wieder etwas kräftigere Impulse für den Außenhandel zu erwarten. Die Löhne dürften sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr merklich zulegen. Trotz zuletzt wieder anziehender Energiepreise wird die Inflationsrate im Prognosezeitraum wohl nahe der Zwei-Prozent-Marke bleiben. So ergeben sich trotz der zwischenzeitlich rückläufigen Beschäftigung merkliche Kaufkraftgewinne bei den Haushalten, die den privaten Konsum spürbar expandieren lassen dürften. Ab dem Jahreswechsel dürften auch die Investitionen wieder zulegen; im Umfeld der nachlassenden Unsicherheit in Zusammenhang mit der Finanzkrise, aber auch der sich weiter verbessernden Absatzmöglichkeiten, kommen die für Deutschland extrem günstigen Finanzierungsbedingungen wieder stärker zum Tragen. Der Außenhandel leistet dabei durchgehend einen positiven, aber recht geringen Wachstumsbeitrag, da die Exporte aufgrund der schwächeren Entwicklung der Weltkonjunktur an Schwung verlieren und die kräftigere Binnenwirtschaft den Import stärker anzieht. Auch in der mittleren Frist dürfte die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland von günstigen Finanzierungsbedingungen, Lohnzuwächsen und einer dynamischen Binnennachfrage geprägt sein. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss dürfte in den fünf Jahren des mittelfristigen Prognosezeitraums relativ zum Bruttoinlandsprodukt deutlich zurückgehen. Der öffentliche Gesamthaushalt wird 2012 und 2013 mit Überschüssen abschließen; in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürften sie in beiden Jahren bei 0,3 Prozent liegen. Dies resultiert vor allem aus der guten Entwicklung der staatlichen Einnahmen, aber auch auf der Ausgabenseite zeigt sich eine relativ geringe Dynamik. Der Bundeshaushalt ist allerdings noch deutlich unterfinanziert. Da im Zusammenhang mit der Finanzkrise noch erhebliche Risiken auf den Bund zukommen können, ist dies bedenklich. Der Konsolidierungsprozess ist daher noch nicht vollständig abgeschlossen.