Hochsteuerland Deutschland? Langlebiger Mythos, problematische Folgen (High Tax Country Germany? Persistent Myth, Problematic Consequences)
Erster Absatz: Ende 2006 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung Ergebnisse einer repräsentativen Um-frage unter deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags und der Länderparlamente. Thema war die soziale Gerechtigkeit. Besonders erstaunten dabei zwei Ergebnisse. Erstens stellte sich heraus, dass die befragten Politiker gegenüber ebenfalls vorliegenden Vergleichswerten der Bevölkerung viel stärker vom Bestehen einer gerechten Verteilung in Deutschland überzeugt sind: »Die Parlamentarier beurteilen die Verteilungsgerechtigkeit der Vermögen und Einkommen in Deutschland deutlich anders als die Bevölkerung. Während die Parlamentarier mehrheitlich davon überzeugt sind, dass Einkommen und Vermögen in Deutschland im Großen und Ganzen gerecht verteilt sind, empfindet nur weniger als ein Drittel der Bevölkerung die Einkommens- und Vermögensverteilung im Lande als gerecht. Die Mehrheit der Bevölkerung beurteilt die Verteilung in Deutschland dagegen als ungerecht. In der Bevölkerung ist der Anteil derer, die eine ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung sehen, mit 56 Prozent doppelt so groß wie der Anteil derer, die diese für gerecht halten (28 Prozent). Bei den Politikern ist das Verhältnis genau umgekehrt: Der Anteil derer, die die Einkommens- und Vermögensverteilung für gerecht halten (60 Prozent), ist mehr als doppelt so groß wie der Anteil derjenigen Parlamentarier, die die Verteilung für ungerecht halten (28 Pro zent).« (Vehrkamp/Kleinsteuber 2006: 6) Diese erhebliche Auseinanderfallen in der Situationsdeutung zwischen dem Wahlvolk und seinen Delegierten wäre für sich selbst sicher eine lohnende Fragestellung, ob und wie dies auf Dauer wohl gut gehen kann. Eine parallele aktuelle Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung (2006) ergab: Für nicht weniger als 83 Prozent der Bevölkerung war ›soziale Ge rechtigkeit‹ ein hoher Wert, und damit war er auch der wichtigste überhaupt. Zum Vergleich: ›Leistungsorientierung‹ kam nur auf 50 Prozent. Und auch mit der Sozialwissenschaft stimmt die Bürgermeinung besser überein, die Deutschland wieder als eine ›gespaltete Gesell schaft‹ beschreibt (vgl. Lessenich / Nullmeier [Hg.] 2006).
Year of publication: |
2007
|
---|---|
Authors: | Groezinger, Gerd |
Published in: |
Intervention. Zeitschrift fuer Ökonomie / Journal of Economics. - ISSN 2195-3376. - Vol. 04.2007, 1, p. 28-39
|
Publisher: |
Marburg : Metropolis-Verlag |
Saved in:
freely available
Saved in favorites
Similar items by person
-
Bildungsfinanzierung in Deutschland: Strukturprobleme und Reformhoffnung
Groezinger, Gerd, (2005)
-
Groezinger, Gerd, (2009)
-
Groezinger, Gerd, (2004)
- More ...