Seit Jahrzehnten praktizieren zahlreiche Unternehmen in Europa und den USA eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit, die durch digitale Technologien gestützt wird. Als Präventionsmaßnahme zum Infektionsschutz gewann das Arbeiten von zuhause in den letzten beiden Jahren eine ganz neue Bedeutung. Die Zahl der Beschäftigten im Homeoffice stieg sprunghaft an, aber auch die Zahl der Studien verschiedener Forschungsrichtungen, die sich mit den Rahmenbedingungen, mit den betrieblichen und politischen Implikationen und den Chancen und Risiken aus Betriebs- und Beschäftigtensicht auseinandersetzten. Waren es vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie 13 Prozent aller Erwerbstätigen und knapp 10 Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland, die zumindest gelegentlich von zuhause arbeiteten, so stieg ihre Zahl mit Beginn der Pandemie, dem ersten Lockdown im März 2020, und durch die zwischenzeitlich verfügte Homeoffice-Pflicht rapide an: In der Spitze arbeitete im Februar 2021 fast die Hälfte (49 Prozent) der abhängig Beschäftigten in Deutschland in ihrer häuslichen Umgebung. In der Europäischen Union haben im Jahr 2019 durchschnittlich 11 Prozent aller abhängig Beschäftigten zumindest gelegentlich von zuhause gearbeitet, darunter in Schweden etwa ein Drittel aller Beschäftigten und in Bulgarien nur 1 Prozent. Mit Ausbruch der Pandemie stiegen auch hier die Zahlen deutlich an: Durchschnittlich arbeiteten in der EU im Februar/März 2021 etwa 42 Prozent der Beschäftigten von zuhause, in den Niederlanden sogar fast 60 Prozent. In den USA schwanken die Zahlen sehr stark je nach Fragestellung und Erfassung zwischen 15 und 37 Prozent der US-Beschäftigten für die Vor-Corona-Zeit. Zu Beginn der Pandemie-Zeit, im Mai 2020, waren es 42 Prozent der US-Erwerbstätigen, die zuhause arbeiteten. Inzwischen ist die Zahl wieder stark zurückgegangen. In allen Ländern diskutieren Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, wie es mit dieser flexiblen Arbeitsform nach der Pandemie weitergeht und wie eine neue Normalität dann aussehen kann. Die empirische Evidenz legt nahe, dass der Verbreitungsgrad des Arbeitens von zuhause zunehmen wird - nicht zuletzt aufgrund gemeinsamer positiver Erfahrungen in den vergangenen knapp zwei Jahren mit dieser Arbeitsform. Wo sowohl Beschäftigte als auch Betriebe hingegen ihre Vorbehalte gegenüber dem Homeoffice bestätigt sehen, werden sie zur Präsenzarbeit zurückkehren, wenn die Umstände dies erlauben. Allerdings signalisiert der Kontrast zwischen Wünschen der Beschäftigten nach Arbeiten im Homeoffice und den Homeoffice-Plänen von insbesondere kleinen Unternehmen potenzielle Konflikte auf betrieblicher Ebene nach der Rückkehr in den Regelbetrieb. Eine Analyse auf Basis der BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 zeigt, dass gut ein Fünftel der Beschäftigten hierzulande der Wunsch nach Arbeiten von zuhause verwehrt ist, obwohl deren Aufgaben nach eigener Aussage eine solche Arbeitsform ermöglichen. Allerdings zeigt die ökonometrische Analyse auch, dass sich diese Beschäftigtengruppe bei vielen Arbeitsplatzmerkmalen von den Beschäftigten unterscheidet, die bereits im Homeoffice arbeiten, aber auch von denen, die dort arbeiten könnten, aber nicht wollen. Diese Unterschiede deuten auf sachbezogene Gründe für eine bislang fehlende Erlaubnis hin. Unternehmen und Beschäftigten müssen daher in einem Dialog die betrieblichen Notwendigkeiten und individuellen Belange ausbalancieren, um angemessene spezifische Lösungen über das Ob und Wie des Arbeitens von zuhause zu finden. Dabei gilt es zu prüfen, welche Rahmenbedingungen für Betriebe und Beschäftigte förderlich sind, um die Arbeitszufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten einerseits und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe mit einer hohen Produktivität und gut funktionierender Geschäftsprozesse andererseits in Einklang zu bringen. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Erörterungsanspruch birgt das Risiko, den effektiven und effizienten Aushandlungsprozess zwischen Unternehmen und Beschäftigten aus der Balance zu bringen.