Implikationen der NATO Response Force für die Parlamentsbeteiligung
Um den neuartigen sicherheitspolitischen Herausforderungen angemessen begegnen zu können, hat die Nordatlantische Allianz den Aufbau einer NATO Response Force (NRF) beschlossen. Bei dieser Eingreiftruppe handelt es sich nicht um eine stehende Streitmacht, sondern um nach einem Rotationsmodell von den Mitgliedstaaten bereitgestellte Verbände. Deutschland hat als ersten Kräftebeitrag mehr als 1200 Soldaten von Marine und Luftwaffe zur Verfügung gestellt. Ab 2005 soll sich auch das Heer mit bis zu 5000 Soldaten beteiligen. Alle Beiträge werden durch Kräfte der Streitkräftebasis und des Zentralen Sanitätsdienstes unterstützt. Nach einstimmigem Beschluß des Nordatlantikrats sollen diese Truppen weltweit innerhalb von 5 bis 30 Tagen einsetzbar sein. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Verstärkung der Diplomatie, der Unterstützung beim "Consequence Management" (worunter Einsätze bei chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Gefahrenlagen sowie humanitäre Einsätze zu verstehen sind) über Peacekeeping-Einsätze bis hin zu Kampf- und Anti-Terroreinsätzen. Die NRF erfordert eine Reform der nationalen politischen Entscheidungsprozesse, gerade jener der Bundesrepublik. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich daraus, daß ein NATO-Einsatzbefehl für die Truppen der NRF innerhalb weniger Tage erfolgen kann und seine erfolgreiche Ausführung von der Bereitstellung aller von den Nationen zugesagten militärischen Fähigkeiten abhängt. Eine gesicherte Verfügbarkeit deutscher Kräfte bedarf einer klaren gesetzlichen Regelung. Sollten diese Kräfte nicht mit hinreichender Verläßlichkeit bereitgestellt werden, bestünde die Gefahr, daß die NRF nicht einsetzbar wäre und künftige militärische Einsätze an der Struktur des Bündnisses und seiner Entscheidungsgremien vorbei in Form von Koalitionen der Willigen geplant und durchgeführt würden. Jegliche Regelung der Beteiligung des Parlaments an der Einsatzentscheidung bewegt sich in einem Spannungsfeld, das sich einerseits aus der Notwendigkeit schneller und tragfähiger Entscheidungen über eine Beteiligung deutscher Kontingente an einem bündnisgemeinsamen Einsatz ergibt und andererseits aus dem Erfordernis demokratisch-parlamentarischer Legitimation. Der daraus sich ergebende Konflikt ist grundsätzlicher Natur und tritt bei jeder schnellen Eingreiftruppe bzw. bei jeder Form vertiefter militärischer Integration auf, also auch bei der Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gegenwärtig existieren sehr unterschiedliche Vorstellungen, wie die Besonderheiten der NRF in einem Gesetz erfaßt werden könnten, das die Entsendung deutscher Streitkräfte regelt. Das Spektrum der Lösungsvorschläge reicht von der Präferenz für eine allgemeine 'Gefahr in Verzug'-Regelung bis hin zu einer generellen Aufgabe des Parlamentsvorbehalts bei Einsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO und der EU. Die Studie untersucht die verschiedenen Optionen und unterbreitet einen Lösungsansatz, wie das Spannungsfeld aufgelöst werden kann, das zwischen rascher und verläßlicher Entscheidungsfindung und demokratisch-parlamentarischen Legitimation besteht. (SWP-Studie / SWP)