Internationales Komplexitätsmanagement am Beispiel der Automobilindustrie
Die Globalisierung und höhere Marktheterogenität haben zu einer drastischen Zunahme der Produktkomplexität in der Automobilindustrie geführt. Ursache hierfür sind kürzere Modell-Lebenszyklen, eine stark gestiegene Modellvielfalt und zunehmende landesspezifische Produktanpassungen. Die damit verbundenen Komplexitätskosten werden zum ausschlaggebenden Kostenfaktor in der Automobilindustrie. Ausgehend von der Identifikation des Handlungsbedarfes auf dem Gebiet des internationalen Komplexitätsmanagements befasst sich die Forschungsfrage der Dissertation damit, wie die Produktkomplexität eines international anbietenden Serienherstellers in der Automobilindustrie besser beherrscht werden kann. Für die Komplexitätsreduzierung wird ein Erklärungsansatz entwickelt, der sich auf die Schaffung von Kommunalitäten als Lösungsansatz zur Reduzierung von Komplexität konzentriert. Unter Kommunalitäten werden hierbei Synergien zwischen Produkten verstanden, die auf gemeinsam verwendeten Produktbestandteilen, Technologien oder Designkonzepten beruhen. Es wird gezeigt, dass durch die Schaffung von internationalen Kommunalitäten, die zusätzliche aus der Globalisierung resultierende Komplexität deutlich reduziert werden kann. Kommunalitäten ermöglichen zudem durch die Realisierung hybrider Markt und Wettbewerbsstrategien das in der Automobilbranche vorherrschende Spannungsfeld zwischen globaler Integration und lokaler Anpassung abzuschwächen. Produkte können dank variabel gestalteter Produktarchitekturen an die Anforderungen einzelner Länder angepasst werden. Gleichzeitig ermöglichen die kommunalen Anteile zwischen den Produkten die Reduzierung von Komplexität und damit eine Verbesserung der Kostenposition.Zur Realisierung von Kommunalitäten werden Suchfelder für Kommunalitäten durch die Definition und Beschreibung verschiedener Kommunalitätsformen, -arten und ebenen aufgezeigt. Neben der Produkt-, Technologie und Designkommunalität (Kommunalitätsformen) werden die simultane und temporale Kommunalität (Kommunalitätsarten) unterschieden. Darüber hinaus wird im Kontext internationaler Kommunalität die Intra- und Inter-Marken-Kommunalität, Intra- und Inter-Regionen-Kommunalität und Globale Kommunalität differenziert betrachtet. Zudem werden die sich aus Kommunalitäten ergebenen Potentiale beschrieben und diskutiert. Hierzu zählen das Kostensenkungs-, Komplexitätsreduktions- und Adaptions-Potential. Auf Basis dieser Strukturierung des Kommunalitätsbegriffs wird mit dem Schalenmodell ein praxisorientiertes Instrument vorgestellt, dass insbesondere zur Planung und Umsetzung von Kommunalitäten in internationalen Unternehmen geeignet ist. Zur ganzheitlichen Umsetzung und Implementierung von Kommunalitäten wird ein Bezugsrahmen des internationalen Komplexitätsmanagements entwickelt. Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass für die Realisierung von Kommunalitäten eine ganzheitliche Betrachtung verschiedener Unternehmensdimensionen erforderlich ist. Gezeigt wird, dass für eine erfolgreiche Umsetzung von Kommunalitäten neben den Dimensionen Komplexitätsstrategie sowie Markt- und Wettbewerbsstrategie auch die organisatorische Ausgestaltung der Forschung & Entwicklung und kulturelle Aspekte berücksichtigt werden müssen. Trotz technischer und methodischer Beherrschung des Komplexitätsmanagements, scheitert die Realisierung der Kommunalitäten oft in der Umsetzungsphase. Verantwortlich dafür sind nicht technische Probleme, sondern Widerstände in der Organisation, welche die notwendigen Schritte und Maßnahmen zur Kommunalitätsrealisierung hemmen bzw. gänzlich verhindern. Gründe für die Widerstände sind oftmals kulturell bedingte Friktionen bei der Zusammenarbeit verschiedener Organisationseinheiten und Machtkonflikte, die durch organisatorische Veränderungen ausgelöst werden. Den Abschluss der theoretischen Überlegungen bildete der Entwurf eines Gestaltungsmodells in Form einer Darstellung von Entwicklungspfaden in dem Bezugsrahmen des internationalen Komplexitätsmanagements. Damit werden strategische Neupositionierungen eines Unternehmens angesprochen, die in bestimmten Situationen erforderlich sind, um den Fit und die Kontingenz der Profilierung des Bezugsrahmens zu der Unternehmensumwelt wiederherzustellen. Zudem werden handlungsleitende Richtlinien dafür entwickelt, wann eine Reduzierung bzw. Erhöhung der Produktkomplexität sinnvoll ist. Mit dem in dieser Arbeit zu entwickelnden Erklärungs- und Gestaltungsansatz wird die Grundlage geschaffen, um das Kommunalitätsmanagement als Lösungsansatz für steigende Produktkomplexität in der Automobilindustrie weiterzuentwickeln. Das vorgestellte Konzept eröffnet somit die Chance nicht nur Transparenz über die wachsende Komplexitätsproblematik in internationalen Automobilunternehmen zu schaffen, sondern bietet mit der Schaffung von Kommunalitäten einen echten Ansatz zu ihrer Lösung an.
Alternative title: | International complexity management in the automotive industry |
---|---|
Year of publication: |
2009
|
Authors: | Schoeller, Nicolas |
Publisher: |
RWTH Aachen / 08 Fakultät für Wirtschaftswissenschaften. Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler [813110] |
Subject: | Kraftfahrzeugindustrie | Komplexität | Kommunalität | Internationales Komplexitätsmanagement | Kommunalitätsmanagement | Automobilindustrie | complexity | commonality | international complexity management | international commonality management | automotive industry |
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