Der Euroraum steckt in einem Dilemma zwischen ordnungspolitischen Anforderungen an eine langfristig stabile Währung auf der einen Seite und systemischen Risiken bei Einhaltung dieser Anforderungen auf der anderen Seite. Dieses Dilemma hat Anlass für Spekulationen gegen einzelne Staaten des Währungsraums gegeben, die die Liquidität dieser Länder sowie die wirtschaftliche Stabilität des gesamten Währungsraums bedroht haben. Die Zuspitzung der Krise hat ihren Ausgangspunkt in Griechenland, wo das Gebaren der Vorgängerregierungen das Vertrauen in die griechischen Staatsfinanzen nachhaltig zerrüttet hat. Das am 2. Mai beschlossene Rettungspaket hat offensichtlich jedoch nicht gereicht, Zweifel an Griechenlands Zahlungsfähigkeit zu zerstreuen und die Märkte zu beruhigen. Immer stärker wurden Länder in Finanzmarktturbulenzen verwickelt, die zwar auch deutlichen finanzpolitischen Handlungsbedarf haben, bei denen Zweifel an der Solvenz aber eigentlich unberechtigt sind. Befristete Liquiditätszusagen, um spekulativen und panischen Entwicklungen die Spitze zu nehmen, sind wie auch das Rettungspaket für das gebeutelte Griechenland grundsätzlich zu begrüßen. Die jüngste Zuspitzung hat nochmals offensichtlich gemacht, dass Rettungsmaßnahmen kurzfristig die deutlich risikoärmere Strategie sind verglichen mit alternativen Überlegungen, wie dem Ausschluss einzelner Länder aus dem Währungsraum. Die Ausgestaltung des Rettungs- und Sparprogramms für Griechenland ist allerdings nachbesserungsbedürftig. Griechenland steht vor erheblichen strukturellen Wirtschafts- und Haushaltsreformen mit großen konjunkturellen Risiken. Die Laufzeit des Programms könnte ungenügend sein und die Kommunikation der Sparziele in Form von nominellen Budgetquoten ist problematisch. Das Potential, das angesichts der niedrigen Steuerquote und dem hohen Ausmaß der Schattenwirtschaft in finanzpolitischen und strukturellen Reformen steckt, spricht aber grundsätzlich dafür, dass Griechenland in einigen Jahren seine Solvenz wiederherstellen kann. Um Griechenland langfristig eine antizyklische Budgetpolitik zu ermöglichen, sollte ferner die Einsetzung einer unabhängigen Schuldenkommission zumindest für die Zeit nach der Aufsicht durch den IWF erwogen werden. Letztlich ist eine striktere Regelbindung der Finanzpolitik für alle Länder des Euroraums, die deutlich über die bisherige Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspakts hinausgeht, angezeigt, um eine Wiederholung der aktuellen Krise zu vermeiden und die Stabilität des Euros langfristig zu garantieren. Im Vergleich zu automatischen Strafzahlungen oder in den jeweiligen Landesverfassungen verankerten Schuldenbremsen hätte die Implementierung von nationalen Schuldenkommissionen dabei den Vorteil, weiterhin antizyklische Finanzpolitik bei gleichzeitiger Glaubwürdigkeit zu ermöglichen. Ferner hat die aktuelle Krise aufgedeckt, dass die bereits im Herbst 2008 diskutierten Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung sträflich vernachlässigt worden sind. Ein zweites Mal innerhalb weniger Jahre wurde der Bedarf für Reformen der Finanzmarktregulierung offensichtlich.