Kindertagesbetreuung und kindbezogenes Vorbeugen gegen Armut: Erzieherinnen und Erzieher schildern Erfahrungen mit ihrem kompensatorischen Bildungsauftrag
[Einführung. Zusätzliche Aufgaben und Anforderungen an Kitas und Erzieherinnen] Aktuell werden Fragen einer hochwertigen Kindertagesbetreuung sowie die dafür erforderlichen Arbeitsbedingungen und Einkommen der Erzieherinnen auf den Titelseiten der Tagespresse diskutiert. Schon seit längerem hat sich die Einsicht - auch in der Politik - durchgesetzt, das die Weichen für gute Zukunftschancen der Kinder bereits im Vorschulalter gestellt werden (müssen). Die frühkindliche Betreuung, Förderung und Bildung gilt als Schlüssel zur Verbesserung der Chancengleichheit. Zu viele Kinder in Deutschland, die in Familien mit geringen Einkommen aufwachsen, können ohne frühkindliche Förderung ihre schlechteren Startbedingungen später kaum ausgleichen. Aus der Forderung nach Chancengleichheit wird ohne entsprechende frühe Förderung und Bildung eine Chancenlüge (DER SPIEGEL 20/ 2015). Der „Dreh- und Angelpunkt“ einer besseren, beziehungsweise hochwertigen frühkindlichen Förderung sind möglichst gut qualifizierte Erzieherinnen. Sie sehen sich durch die zusätzlichen Aufgaben und Qualitätsanforderungen (Sprachförderung, Bildungspläne, Dokumentationspflichten, Elternarbeit usw.) jedoch nicht nur gefordert, sondern im Alltag häufig überfordert. Denn wenige Berufsgruppen erlebt derzeit immer weitere neue Anforderungen wie die Erzieher/innen in Kinderkrippen und Kindertagesstätten. Das hängt unter anderem auch damit zusammen, dass der bisher im Mittelpunkt stehende (quantitative) Ausbau der Betreuungsplätze und die Ausweitung der Betreuungszeiten viele Kommunen finanziell überfordert. Insbesondere mit dem Kinderförderungsgesetz (KiFöG) von 2008, das den umfangreichen Ausbau der Betreuungsplätze und den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten 1. Lebensjahr mit sich brachte (Grohs/Reiter 2014: 17, 22f), sind viele Kommunen und Städte finanziell an ihre Grenzen geraten. Gleichwohl sind weitere Krippen- und Kitaplätze erforderlich. Anfang des Jahres 2015 kam zum Beispiel die Sozialsenatorin in Bremen einer seit Jahren erhobenen politischen Forderung nach und stellte detailliert geplante Ausbauschritte bis zum Kindergartenjahr 2019/20 vor: 20 neu zu bauende Kindertagesstätten, 400 zusätzliche Stellen für Fachkräfte, weitere 650 Krippenplätze für die Jüngsten unter drei Jahren sowie 1.500 zusätzliche Plätze für Kindergartenkinder zwischen drei und sechs Jahren. Der dafür erforderliche Finanzbedarf steigt von aktuell 150 auf 170 Millionen Euro bis ins Jahr 2019. Für ein Haushaltsnotlageland wie Bremen eine beeindruckende Zukunftsinvestition! Diese Entwicklungen bedeuten für die Krippen und Kitas, das die gewachsene Aufgaben trotz zu knapper finanzieller Ressourcen bewältigt werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass damit auch die Herausforderungen und Belastungen für die Fachkräfte weiter zunehmen. Gleichzeitig muss in den kommenden Jahren mit einer zunehmenden Fachkräftelücke gegenüber der enormen Bedarfsentwicklung gerechnet werden, insbesondere in den westdeutschen Bundesländern (Rauschenbach 2013: 153). Der Bedarf wird daher zunehmend durch eine bessere Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials gedeckt werden müssen: längerer Verbleib im Beruf, Wechsel von Teilzeit- in Vollzeitverträge und schnellere Berufsrückkehr (Grgic/Matthes/Stüber 2014: 7). [...]
Year of publication: |
2015
|
---|---|
Authors: | Benedix, Ulf |
Publisher: |
Bremen : Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), Universität Bremen und Arbeitnehmerkammer Bremen |
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