Kritisches und Positives zu den Forderungen nach einer Neuordnung der Weltwirtschaft
In diesem Beitrag wird die Auffassung vertreten, daß der Westen den Menschen in den zurückgebliebenen Ländern mehr helfen sollte, als dies bisher geschehen ist. Allerdings hängt die Bereitschaft zu größeren Opfern davon ab, ob diese sich ethisch und politisch einwandfrei begründen lassen. Auch muß sichergestellt werden, daß die Ressourcenübertragung ökonomisch effizient ist, also möglichst keine Transferverluste entstehen. Begründungen, die sich auf Kolonialismus und auf Ausbeutung durch Handel stützen, berühren einzelne Länder des Westens nicht beziehungsweise sind theoretisch fragwürdig. Etwas wieder gutzumachen hat der Westen, soweit er es den Menschen aus den armen Ländern verwehrt hat oder erschwert, ihre Erzeugnisse auf seinen Märkten ungehindert abzusetzen. Eine politische Kompensation ließe sich auch rechtfertigen mit der Tatsache, daß Bewohner von Ländern mit wirtschaftlich günstigem Klima nicht gewillt sind, eine volle internationale Freizügigkeit zuzulassen. Politisch und ethisch sind Transferforderungen begründbar mit der Vorstellung, daß die Menschheit zu einer Solidargemeinschaft zusammenwächst und sich überwiegend zu einer Gerechtigkeitsnorm bekennt, nach der die Bessergestellten gehalten sind, den ärmsten Mitgliedern zu helfen, ihre Lage zu verbessern. Vorgeschlagen wird hier eine großzügige Transferzusage des Westens, mit der Maßgabe, daß Änderungen der Weltwirtschaftsordnung, die auf verdeckte Transfers hinauslaufen und deshalb mit erheblichen Obertragungsverlusten verbunden sind, nur akzeptiert werden sollten, wenn die begünstigten Länder zustimmen, daß sie mit ihrem vollen Kostenwert für den Westen von der Transferzusage abgebucht werden. Außerdem sollte unwiderruflich versprochen werden, daß der Westen den Erzeugnissen der Menschen aus armen Ländern freien Zugang zu seinen Märkten gewährt. Um im Westen Arbeitslosigkeit durch weltwirtschaftlich bedingten Strukturwandel möglichst zu vermeiden, muß man sich hier außer auf Produktinnovationen auf den Export von Kapitalgütern in die Dritte Welt konzentrieren. Um diesen abzustützen, ist privater Kapitalexport nötig. Er ist unabdingbar, wenn der Lebensstandard der Armen schneller steigen soll, als es aus eigener Kraft möglich ist. Möglichst schnell sollen daher möglichst viele Regierungen im Westen und im Süden rechtlich und faktisch sicherstellen, daß politische Risiken den Kapitalausgleich künftig nicht mehr behindern. Freier Handel, freier Kapitalausgleich und offene Transferleistungen geben der Dritten Welt ähnliche Chancen des Aufholens, wie sie die Bundesrepublik, Japan und andere Länder in den letzten drei Jahrzehnten nutzen konnten. In einer dirigistischen Ordnung der Weltwirtschaft, wie sie jetzt angestrebt wird, wären diese Aufholprozesse unmöglich gewesen.
Year of publication: |
1978
|
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Authors: | Giersch, Herbert |
Publisher: |
Kiel : Institut für Weltwirtschaft (IfW) |
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