Prozessqualitäten in der WTO : ein Vorschlag für die reliable Messung von moralischen Bedenken
Winnie Sonntag und Achim Spiller
Im Jahr 2014 hat das WTO-Schlichtungsgremium (Appellate Body) einen vielbeachteten Schiedsspruch zum Importverbot der EU für Robbenprodukte getätigt. Das verhängte Importverbot für Robbenprodukte wurde auf Grundlage des Art. XX (a) GATT grundsätzlich gerechtfertigt. Damit wurde erstmals der Schutz der öffentlichen Sittlichkeit als Begründung für eine tierschutzbezogene Handelsbeschränkung anerkannt. Diese Entscheidung eröffnet als Präzedenzfall Optionen für supranationale Maßnahmen für weitere Produkte, deren Herstellungsprozess auf moralische Bedenken der Gesellschaft trifft. Denkbar wären hier z. B. eine verpflichtende Kennzeichnung bzw. ein Importverbot für Produkte aus besonders tierwohlkritischen Produktionsformen. Allerdings bleibt in der Forschung bisher weitgehend unklar, wann eine Gefährdung der sittlichen Ordnung besteht. Der vorliegende Beitrag thematisiert deshalb die Frage, wie die moralischen Bedenken (moral concerns) einer Gesellschaft gemessen werden können. Hierzu wird eine Messmethode konzeptionell vorgestellt, die eine valide und reliable Messung der moralischen Bedenken einer Gesellschaft erlaubt. Das Ziel ist ein auf WTO-Ebene einsetzbares, wissenschaftlich fundiertes und vertrauenswürdiges Instrument (Scale) zur Messung des Besorgnisgrades von Gesellschaften in Bezug auf Tierschutzfragen zu entwickeln.