Nachdem das ifo Institut im Mai des Jahres 2002 seine Studie zur Aktivierenden Sozialhilfe vorgestellt hatte, wurde in Deutschland eine Diskussion zu den Möglichkeiten einer aktivierenden Sozialpolitik zum Zwecke der Entwicklung des Niedriglohnsektors geführt, die bis zum heutigen Tage anhält und beständig an Breite gewinnt. Am Beginn der Diskussion standen noch im selben Jahr die Reaktionen der Hartz-Kommission, des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und des Sachverständigenrats. Die Magdeburger Alternative wurde entwickelt, und mittlerweile erinnert man sich wieder an die alten Konzepte einer negativen Einkommensteuer oder eines Bürgergeldes, die schon ein Jahrzehnt früher vor allem von soziologischer Seite diskutiert worden waren, das IZA tritt für eine allgemeine Arbeitsverpflichtung für Sozialleistungsbezieher (Workfare) ein, und in Kiel wird die Idee der Einstellungsgutscheine propagiert. In diesem Schnelldienstheft wird der Versuch unternommen, Ordnung in die Vielfalt der inzwischen ausgearbeiteten Vorschläge zu bringen.Zu diesem Zweck wurden einige der relevanten Autoren gebeten, ihre Vorstellungen in knapper Form für den ifo Schnelldienst darzulegen. Im Einzelnen sind dies:die Autoren des ifo Instituts (Hans-Werner Sinn, Christian Holzner, Wolfgang Meister, Wolfgang Ochel und Martin Werding; Aktivierende Sozialhilfe),Friedrich Breyer als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi-Beirat),Wolfgang Franz vom Sachverständigenrat (Mehrheitsvorschlag SVR), Ulrich Walwei und Martin Dietz vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die ihren gemeinsam mit Peter Bofinger von der Universität Würzburg erarbeiteten Vorschlag (negative Einkommensteuer) darlegen,Holger Bonin, Armin Falk und Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der Arbeit (Workfare), Dennis Snower, Alessio Brown und Christian Merkl vom Institut für Weltwirtschaft (Beschäftigungsgutscheine), Ronnie Schöb und Joachim Weimann von der Universität Magdeburg (Magdeburger Alternative) und Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen (Solidarisches Bürgergeld). Die alternativen Reformkonzepte zur Erhöhung der Beschäftigung im Niedriglohnsektor weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf: Sie gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit überwiegend strukturell und nicht konjunkturell bedingt ist. Die Arbeitslosigkeit kann durch eine Senkung der Lohnkosten bzw. eine verstärkte Lohnspreizung verringert werden. Sie zielen auf eine Beschäftigung gering qualifizierter Arbeitsloser im ersten Arbeitsmarkt. Eine auf Dauer angelegte Beschäftigung im zweiten Arbeitsmarkt (z.B. in Form von ABM-Stellen) wird abgelehnt. Sie lehnen eine Senkung der Lohnkosten auf dem Wege über eine Verminderung des Realeinkommens der Betroffenen ab und wollen sie bevorzugt in reguläre Vollzeitbeschäftigung bringen.Neben diesen grundlegenden Gemeinsamkeiten weisen die Modelle aber auch erhebliche Unterschiede auf. Diese zeigen sich insbesondere im Instrumentarium, mit dem die Wiedereingliederung gering qualifizierter Langzeitarbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt gefördert werden soll. Grundsätzlich lassen sich dabei veränderte finanzielle Anreize und Workfare-Ansätze unterscheiden, deren gemeinsames Ziel es ist, die Lohnansprüche zu senken und dadurch Stellen zu schaffen.Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, wurde den einzelnen Reformkonzepten eine zusammenfassende Analyse vorausgestellt. Sie zeigt, welche Einkommens- und Anreizwirkungen von den alternativen Modellen für den Niedriglohnsektor ausgehen. Für zwei Haushaltstypen - eine alleinstehende Person und eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren mit einem erwerbstätigen Familienmitglied - wurde hier für die verschiedenen vorgestellten Reformmodelle berechnet, welches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung aller Transferleistungen und Abgaben bei variierender Höhe des Bruttolohns letztendlich verbleibt. Noch präziser und ökonomisch korrekter als durch die Brutto-Netto-Einkommenskurven lassen sich die Anreizwirkungen der unterschiedlichen Modellansätze beschreiben, wenn die Grenzbelastung der privaten Wertschöpfung aufgezeigt wird. Diese Grenzbelastung misst, wie viel der Staat von einer zusätzlichen Einheit privater Wertschöpfung durch Abgaben und Transferentzug insgesamt bekommt. Sie ist die aus ökonomischer Sicht relevante Größe, weil es letztlich nach entsprechender Anpassung der Lohnsätze für das Marktgeschehen gleichgültig ist, ob die Traglast einer Abgabe oder eines Transferentzugs beim Arbeitgeber oder beim Arbeitnehmer liegt. Wichtig ist nur die Bemessungsgrundlage selbst.Die hier vertretenen Ökonomen und Autoren eint das Ziel, durch eine erhebliche Mobilisierung des Arbeitsmarktes für die Geringqualifizierten, Deutschland für die Kräfte der weiter voranschreitenden Globalisierung und des internationalen Niedriglohnwettbewerbs fit zu machen, ohne dass deshalb Menschen in die Armut gestürzt werden. Fast alle Modelle gehen davon aus, dass es besser ist, das Mitmachen statt das Wegbleiben zu bezahlen. Dabei werden die sozialen Ziele nicht aus dem Auge gelassen. Auch diejenigen Modelle, die Kürzungen des Eckregelsatzes der staatlichen Hilfen für den Fall der Nichtarbeit vorsehen, bieten mit der Garantie einer kommunalen Arbeitsgelegenheit einen lückenlosen Schutz vor einem Abgleiten des Lebensstandards unter das Niveau des heutigen Arbeitslosengeldes II.