Reformoptionen für die Grundsicherung von Erwerbstätigen
[Überblick] Das derzeitige System der Grundsicherung für Erwerbsfähige in Deutschland gilt als ineffizient und zu komplex und ist zahlreichen Kritikpunkten ausgesetzt (siehe Blömer, Fuest und Peichl 2019b, für einen Überblick). Die Transferleistungen des SGB II sind unzureichend mit den Leistungen des Kinderzuschlags und des Wohngelds abgestimmt. Hinzu kommt die wahrgenommene Komplexität und Stigmatisierung der Antragstellung, die Personen an der Inanspruchnahme hindert. Arbeitsanreize werden durch teilweise sehr hohe effektive Grenzbelastungen gehemmt. Insbesondere für Familien und Alleinerziehende verfehlen die derzeitigen Instrumente der passiven Arbeitsmarktpolitik das Ziel, die Arbeitsaufnahme zu fördern. Gleichzeitig unterliegt das Niveau der Grundsicherung der Kritik, zu niedrig zu sein, um seiner originären Aufgabe, der Sicherung des Existenzminimums nachzukommen. Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Monaten verschiedene Reformvorschläge erarbeitet, wie die derzeitigen Instrumente neu gestaltet werden können. Beispielsweise sieht der ifo-Vorschlag zur Reform des Grundsicherungssystems vor, alle bisherigen Leistungen zu einer universellen Transferzahlung zusammenzufassen, um den administrativen Prozess zu vereinfachen (siehe Blömer, Fuest und Peichl 2019c,d). Weiterhin soll die implizite Grenzsteuerbelastung im Niedrigeinkommensbereich neu gestaltet werden, um Arbeitsanreize zu fördern und die Armutsbekämpfung zielorientierter zu gestalten. Weitere Vorschläge zur Reform der Grundsicherung mit ähnlichen Reformelementen werden beispielsweise von Bruckmeier, Mühlhan und Wiemers (2018) und Schöb (2019) vorgelegt. Auch von Seiten der Politik kommen Reformvorschläge, die eine universelle Transferleistung vorsehen oder eine generelle Reform von Hartz IV fordern. Die meisten Reformvorschläge haben gemeinsam, dass der Kinderzuschlag und das Wohngeld gemeinsam mit Hartz IV in eine universelle Transferleistung überführt wird, welche zudem die Hinzuverdienstregeln von Hartz IV modifiziert. Bei der Ausgestaltung einer derartigen universellen Transferleistung gibt es jedoch zahlreiche Freiheitsgrade, die es zu definieren gilt. Dazu gehört nicht nur die Höhe der Grundsicherung, sondern auch die Ausgestaltung des Transferentzugs, also die Reduktion der Leistungen bei eigenständig erwirtschafteten Einkommen. So können Freibeträge gewährt oder Transfers mit dem Einkommen entzogen werden. Bei der Ausgestaltung kommt es jedoch zu einem Zielkonflikt: Je großzügiger Sozialleistungen gewährt werden, desto stärker sinken die individuellen Arbeitsanreize, während die öffentlichen Ausgaben steigen. Inwiefern die verschiedenen Komponenten einer Grundsicherung auf dieses Sozialstaatsdilemma wirken, ist aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge nur bedingt nachvollziehbar. Diese Kurzexpertise soll ebendiese Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten einer universellen Transferleistung und den sozialpolitischen Zielgrößen beleuchten. Die Expertise nutzt ein ex-ante Steuer-Transfer-Modell, um die Auswirkungen verschiedener Reformoptionen auf zentrale sozialpolitische Zielgrößen zu analysieren. Dabei werden die Reformoptionen untereinander und mit dem Status quo 2019 verglichen. Es werden die Veränderungen der Armutsrisikoquote und des Arbeitsangebots (in Vollzeitäquivalenten) analysiert. Außerdem werden die Auswirkungen der Reformvorschläge auf den öffentlichen Haushalt quantifiziert. Bei den in diesem Bericht untersuchten Reformvarianten handelt es sich nicht um konkrete wirtschafts- und sozialpolitische Vorschläge, sondern um eine Diskussion verschiedener Bausteine einer universellen Transferleistung. Dabei liegen alle Varianten im politisch relevanten Spektrum und können somit als Grundlage für eine wirtschaftspolitische Handlungsempfehlung gesehen werden.
Year of publication: |
2019
|
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Authors: | Blömer, Maximilian ; Litsche, Simon ; Peichl, Andreas |
Publisher: |
Wiesbaden : Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung |
Saved in:
freely available
Series: | Arbeitspapier ; 09/2019 |
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Type of publication: | Book / Working Paper |
Type of publication (narrower categories): | Working Paper |
Language: | German |
Other identifiers: | 1681210207 [GVK] hdl:10419/206558 [Handle] RePEc:zbw:svrwwp:092019 [RePEc] |
Source: |
Persistent link: https://www.econbiz.de/10012120488
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