Kern dieses Working Papers ist die Prüfung eines staatlichen Kaufverbots von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln unterhalb der Herstellungskosten. In Deutschland gibt es seit ein paar Jahren eine erhebliche politische Diskussion hierzu, die sich schließlich im Koalitionsvertrag der Bundesregierung in Form eines Prüfauftrags wiederfindet. In der Diskussion wird immer wieder angemerkt, dass es ein solches Kaufverbot bereits in mehreren europäischen Ländern gibt. Tatsächlich haben die EU-Mitgliedstaaten Spanien, Frankreich und Italien in den letzten Jahren rechtliche Regelungen zur Festlegung der Erzeugerpreise anhand der Herstellungskosten verabschiedet. Ziel dieser Regelungen ist, die Stellung des Produktionssektors gegenüber der Verarbeitungsindustrie und dem Handel zu stärken und die Einkommen der Landwirt*innen zu verbessern. Die Untersuchung umfasst zunächst eine Darstellung dieser Regelungen in Spanien, Frankreich und Italien und der bislang vorliegenden Erfahrungen bezüglich Umsetzung und Auswirkungen in diesen Ländern. Sowohl rechtlich als auch inhaltlich sind die jeweiligen Regelungen sehr unterschiedlich. Während Spanien und Italien ein echtes Kaufverbot unter Herstellungskosten vorschreiben, sehen die Regelungen in Frankreich lediglich eine Verpflichtung zur Berücksichtigung der Herstellungskosten bei der Preisfindung vor. Gemeinsam ist den drei Ländern, dass es eine allgemeine Verpflichtung zum Vertragsabschluss vor der Warenlieferung gibt. Hervorzuheben ist auch, dass bedeutsame Produktbereiche und Verwertungskanäle bereits per Gesetz oder per Dekret von den Vorschriften ausgenommen sind. Da die Regelungen mit besonderem Bezug auf die kostenorientierte Preisgestaltung in den drei Ländern erst Ende 2021 in Kraft getreten sind, sind auf den Märkten und den Erzeugerpreisen noch keine klar erkennbaren Auswirkungen feststellbar. Die Einschätzungen der befragten Expert*innen zu den möglichen Wirkungen gehen weit auseinander, wobei die Regelungen von Vertretern der Primärproduktion erwartungsgemäß eher positiv und von denen der Verarbeitungs- und Handelsebene eher kritisch beurteilt werden. Im zweiten Teil der Untersuchung werden Einschätzungen von relevanten Akteuren zu einer möglichen Einführung eines „Kaufverbots unter Herstellungskosten“ und deren Konsequenzen in Deutschland zusammengefasst. Diese stammen aus zahlreichen Experteninterviews und drei branchenbezogenen Workshops mit Akteuren der Wertschöpfungsketten. Je nach Akteursgruppe und Produktbereich wurden Eingriffe zur Steuerung der Märkte sehr unterschiedlich eingeschätzt. Vor allem im Rinder- und Schweinebereich gibt es unter den Primärerzeugern einflussreiche Gruppen, die eine stärkere Marktregulierung, verpflichtende Verträge und kostendeckende Preise fordern. Die Ernährungsindustrie, insbesondere der exportorientierte Teil, und auch die großen Handelskonzerne haben dagegen ein Interesse an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und lehnen daher Eingriffe in die freie Preisbildung ab. Aus Sicht des Großteils der an der Untersuchung beteiligten wissenschaftlichen Akteure ist eine staatlich vorgeschriebene Kostenorientierung der Preise keine geeignete Maßnahme, um die Einkommen der Landwirte zu verbessern. Der intrasektorale Wettbewerb bliebe aufgrund der großen betriebsindividuellen Kostenunterschiede auch bei einer stärkeren Kostenorientierung erhalten und ohne Mengensteuerung und EUweite Regelung würden gravierende Wettbewerbsverzerrungen und Produktionsverlagerungen resultieren. Gewünschte Produktionsweisen zur Erreichung von Zielen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klima, Tierwohl etc. sollten durch spezifische Maßnahmen unterstützt werden. Zahlreiche Verbände haben in jüngster Zeit Vorschläge gemacht, wie die Einkommen der Landwirte, vor allem derer mit Rinder- und Schweinehaltung, nachhaltig erhöht werden können. In unterschiedlichen Kooperations- und Diskussionsformaten, an denen auch die großen Handelskonzerne beteiligt sind, wird an Lösungsansätzen gearbeitet, die das Zusammenspiel der Akteure der verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungsketten verbessern sollen. Vorschläge hierzu werden in diesem Working Paper lediglich gelistet, aber nicht analysiert.