Staatsschulden
[Einleitung] Vor zehn Jahren erreichte die globale Wirtschafts- und Finanzkrise ihren Höhepunkt. Als am 15. September 2008 die bereits angeschlagene Investmentbank Lehman Brothers in die Insolvenz ging, wurde aus dem Schwelbrand an den Finanzmärkten ein Flächenbrand. Schon zuvor hatte es aufgrund der fallenden Immobilienpreise Probleme bei Banken und anderen Finanzinstituten gegeben, doch mit der Lehman-Pleite gab es einen regelrechten Brandbeschleuniger. Die Folgen waren verheerend. Banken in mehreren Industrieländern gerieten reihenweise in Schieflage, viele von ihnen mussten staatlich gestützt werden. Die Weltkonjunktur kippte, weil viele Unternehmen und Verbraucher aus Sorge vor den Folgen des Flächenbrandes auf den Finanzmärkten ihre Ausgaben drosselten. Das deutsche Wachstum brach um rund 5 % ein - ein einmaliges Ereignis im Nachkriegsdeutschland. Weltweit schnürten Regierungen umfangreiche Konjunkturpakete, um den einbrechenden Aus gaben im Privatsektor entgegenzuwirken. Die Notenbanken reagierten mit drastischen Zinssenkungen und legten damit den Grundstein für eine jahrelang anhaltende ultra-expansive Geldpolitik. Mit den Konjunkturprogrammen und den direkten Hilfen für angeschlagene Finanzinstitute (einschließlich Verstaatlichungen) haben die Regierungen schwere finanzielle Lasten auf sich genommen. Teile der zuvor privaten Schulden wurden in öffentliche Schulden umgewandelt. Der daraus resultierende drastische Anstieg der in manchen Fällen vorher schon hohen Staatsschulden hat bei vielen Marktteilnehmern und in der Bevölkerung die Sorge vor massiver Inflation, Staatsbankrotten und sogar Währungsreformen ausgelöst. Vielen Beobachtern erschien die Situation ausweglos. Wir haben die weit verbreiteten Sorgen schon im Jahr 2009 zum Anlass genommen, uns in unserer Studienreihe Strategie 2030 intensiv mit dem Thema Staatsverschuldung auseinanderzusetzen. Der Tenor unserer Analyse war damals, dass die Situation des Finanzsystems und der öffentlichen Finanzen zwar sehr ernst ist, dass es aber Wege aus der Krise gibt, ohne dass es zu den befürchteten Staatsbankrotten, Währungsreformen oder Hyperinflationen kommen muss. Zehn Jahre später wissen wir, dass die Untergangsszenarien ausgeblieben sind. Staatsbankrotte gab es - mit Ausnahme Griechenlands - nicht. Währungsreformen sind ebenfalls ausgeblieben. Auch der zwischenzeitlich unter einer schweren Vertrauenskrise leidende Euro ist nicht zerbrochen. Und eine nennenswerte Verbraucherpreisinflation hat es bis heute in den großen Industrienationen nicht gegeben. In den vergangenen Jahren ging es für die Notenbanken eher darum, eine Deflation - also das Gegenteil von Inflation - zu verhindern. Ist diese positive Bilanz lediglich eine Momentaufnahme oder gibt es gute Gründe für eine Entwarnung? Drohen die mühsam erarbeiteten Erfolge bei der Stabilisierung der Staatsfinanzen im nächsten Konjunkturabschwung wieder wegzubrechen? Was geschieht, wenn das Zinsniveau eines Tages deutlich anzieht? Und droht eine neue Schuldenkrise, wenn hoch verschuldete Länder wie Italien die mühsam erarbeiteten Reformerfolge durch einen erneuten wirtschaftspolitischen Schwenk zunichtemachen? Wir möchten diesen Fragen in der vorliegenden Studie nachgehen. Dabei werden wir den Status quo beleuchten und skizzieren, wo neue Gefahren lauern und woher ein neuerliches Aufflackern der Schuldenkrise kommen könnte.
Year of publication: |
2019
|
---|---|
Authors: | Quitzau, Jörn ; Prömel, Christopher ; Vöpel, Henning ; Cotterell, Maike |
Publisher: |
Hamburg : Berenberg Bank und Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) |
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