Standortplanung für einen privaten Paketdienstleister

Die vorliegende Arbeit handelt von einer Standortplanung für das Logistiknetzwerk eines polnischen Paketzustelldienstes. Das Ziel der Arbeit war es, den Zustelldienst bei einer strategischen Investitionsentscheidung mit Hilfe moderner Methoden des Operations Research zu unterstützen. Aus mathematischer Sicht handelt es sich um eine praktische Anwendung eines „Location-Routing-Problem” aus dem Bereich „Network Design”. Der Paketzustelldienst ­ auf eigenen Wunsch mit dem Pseudonym „LoGon” bezeichnet ­ führte in den letzten Jahren eine umfassende Reorganisation seines Logistiknetzwerks durch. Das Netzwerk bestand vor Beginn der Reorganisation aus 47 Depots, die für die Versorgung der Kunden in ihrer unmittelbaren Umgebung zuständig sind. Je nach Lage fungiert ein Teil der Depots über Nacht zusätzlich als Umschlagsknoten für die zwischen den Depots eingesetzten Fernverkehre. Im Rahmen der Reorganisation stellte sich LoGon die Frage, welche der bisher genutzten Standorte zukünftig benötigt würden. LoGon übergab dem Autor dieser Arbeit eine Liste mit 52 Standorten, an denen entweder bereits ein Depot in Betrieb war oder ein neues eingerichtet werden konnte. Von diesen galten 22 als optional. Die Aufgabe dieser Arbeit war es, von den 22 optionalen Standorten eine Auswahl zu bestimmen, die langfristig die Betriebskosten von LoGons Logistiknetzwerk minimiert. Im Vergleich zur bereits existierenden Literatur hebt sich diese Fragestellung durch eine Reihe von ungewöhnlichen Rahmenbedingungen ab: 1) Die Optimierung musste sowohl die Investitionskosten als auch die Betriebskosten gemäß eines bestimmten Verhältnisses reduzieren. 2) Es war nicht nur für jeden Standort zu entscheiden, ob er in Betrieb sein sollte, sondern es war zusätzlich die optimale Ausstattung und Größe des Depots zu bestimmen. Dieser Aspekt wird anhand von „Depotklassen” dargestellt. Für jeden Standort eines Szenarios musste eine von dreien ausgewählt werden, von denen jede stark unterschiedlichen Einfluss auf den Betriebsablauf eines Depots hat. 3) LoGon bietet seinen Kunden sowohl die Zustellung als auch die Abholung der Sendungen direkt vor Ort an. Beide Aktivitäten konnten auf dem Fahrtweg eines Kuriers kombiniert werden ­ zwingend vorgeschrieben war es aber nicht. Das Standortproblem wurde in der vorliegenden Arbeit als Location-Routing-Problem (LRP) modelliert. Diese Problemklasse zeichnet sich dadurch aus, dass ein Vehicle-Routing-Problem (VRP) mit einem Standortproblem kombiniert wird. Die klassische Version des LRP wird darüber hinaus erweitert, um die oben erwähnten Besonderheiten darstellen zu können. Die Arbeit konzentriert sich auf folgende Schwerpunkte: 1) Die Komplexität des Modells erlaubt es nicht, das Standortproblem mathematisch exakt zu lösen. Stattdessen wurde eine speziell angepasste VRPB-Heuristik entwickelt und innerhalb des LRP-Modells erfolgreich angewendet. 2) Der Einsatz eines LRP im Rahmen einer strategischen Standortplanung ist auf Grund seiner Komplexität im Verhältnis zu den meist ungenauen Planungsdaten umstritten. Daher wurden die Erweiterungen des LRP auf ihre Notwendigkeit und ihren Nutzen untersucht und mit LRP-freien Verfahren verglichen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die praktische Anwendung. Daher ist das zentrale Ergebnis der Arbeit, dass LoGons Standortproblem erfolgreich gelöst werden konnte. Es wurde nachgewiesen, dass die Güte der von der Heuristik berechneten Standortauswahl die manuellen Planungen von LoGons Logistikexperten weit übertraf. Damit realisierte diese Arbeit einen erfolgreichen Transfer der Methoden des Operations Research in die Praxis. Es wird gezeigt, dass die Wahl des Modells als LRP einschließlich der Erweiterungen dieser Problemklasse notwendig und effektiv ist.