Strukturverschiebung in der globalen Erdgaswirtschaft : Nachfrageboom in Asien, Angebotsschock in den USA
von Franziska Holz, Philipp M. Richter und Christian von Hirschhausen
Erdgas gewinnt weltweit immer größere Bedeutung bei der Umstrukturierung und Dekarbonisierung von Energiesystemen. Es ist flächendeckend verfügbar und flexibel einsetzbar in Verstromung, Industrie, Verkehr und im Haushaltsbereich. Im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern wird bei seiner Verbrennung relativ wenig CO2 emittiert. Aus diesem Grund kommt der Erdgaswirtschaft auch bei der europäischen Energiewende in Richtung erneuerbarer Energieträger eine wichtige unterstützende Rolle zu. Das DIW Berlin untersucht vor diesem Hintergrund das Potential des globalen Erdgasmarktes und analysiert modellgestützt mögliche Entwicklungsszenarien für verschiedene Klimaschutzziele. Die seit einigen Jahren zu beobachtende strukturelle Verschiebung der internationalen Erdgaswirtschaft wird sich auch mittel- und langfristig fortsetzen. Während die Staaten des arabischen Golfs, insbesondere Katar, aufgrund ihrer geographischen Lage als flexibler Anbieter (Swing Supplier) verbleiben, sinkt künftig die zentrale Bedeutung Russlands für die Versorgung Europas. Neue Techniken wie das Fracking, die die Erschließung sogenannter unkonventioneller Erdgasvorkommen ermöglichen, lassen die USA zur potenziellen Erdgasexportmacht aufsteigen und bieten anderen Weltregionen Hoffnung auf eigene Förderung. In Europa hingegen erscheint das Potential zusätzlicher einheimischer Gewinnung durch Fracking von Schiefergas aufgrund technischer Unsicherheiten und fehlender politischer Unterstützung im Kontext eines ausreichenden, internationalen Erdgasangebotes als gering. Immer mehr Nachfrage nach Erdgas wird aus Asien kommen, wo der wachstumsinduzierte Energiehunger kontinuierlich steigt. Diese mittelfristig dominante Nachfrageregion wird einen Großteil des zukünftigen Erdgashandels binden. In Europa sind mehrere Entwicklungspfade möglich, in Abhängigkeit davon, ob Erdgas als Brückentechnologie auf dem Weg zu erneuerbar-basierten Systemen genutzt wird, oder langfristig ein Komplement zur unsteten Einspeisung Erneuerbarer darstellt.