Tariftreue und Vergabe - Mindestlohn in Thüringen
[Zusammenfassung und Empfehlungen] Das Thüringer Vergabegesetz (ThürVgG) in seiner Fassung vom 23. Januar 2020 enthält umfassende Regelungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Damit entspricht es den Anforderungen eines modernen Vergaberechtes, wie sie durch die europäischen und nationalen Vergaberichtlinien vorgegeben werden. Ausschlaggebend für die Vergabe öffentlicher Aufträge ist demnach nicht mehr nur der günstigste Preis, sondern auch die Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Standards. Hierdurch werden faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen und Sozial- und Umweltdumping verhindert. Unter Ausnutzung neuer europarechtlicher Spielräume war Thüringen 2019 das erste Bundesland, das eine umfassende Tariftreueregelung in sein Vergabegesetz aufgenommen hat. Mittlerweile sind viele weitere Bundesländer diesem Beispiel gefolgt. Während Berlin bereits eine ähnliche Regelung verabschiedet hat, haben mittlerweile Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und zuletzt Sachsen-Anhalt entsprechende Gesetzesinitiativen angekündigt. Öffentliche Aufträge dürfen in Thüringen nur noch an solche Unternehmen vergeben werden, die sich verpflichten, ihre Beschäftigten bei der Auftragsdurchführung nach Tariflohn zu bezahlen. Tariftreueregelungen sind ein wichtiges Instrument zur Förderung der Tarifbindung, die in Thüringen mit nur 44% eine der niedrigsten in Deutschland ist und wesentlich für das geringe Lohniveau im Freistaat verantwortlich ist. Vor diesem Hintergrund weist die in dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion vorgeschlagene Abschaffung der Tariftreueregelungen (und darüber hinaus auch der weiteren sozialen und ökologischen Kriterien wie z. B. dem vergabespezifischen Mindestlohn) eindeutig in die falsche Richtung. Allerdings besteht im Hinblick auf den Geltungsbereich des Thüringer Vergabegesetzes durchaus reformbedarf. So sind die Tariftreue- und Mindestlohnvorgaben bislang auf die Vergaben der Landesbehörden beschränkt. Damit werden jedoch maximal ein Drittel aller öffentlichen Aufträge in Thüringen erfasst, so dass die Wirksamkeit des Gesetzes von vornherein recht begrenzt ist. Ratsam wäre deshalb, die Regelungen zur Tariftreue und dem vergabespezifischen Mindestlohn auch auf die Kommunen sowie alle weiteren öffentlichen Einrichtungen in Thüringen auszudehnen. Darüber hinaus bestehen bei dem Thüringer Vergabegesetz nach wie vor auch erhebliche Umsetzungsdefizite. So fehlt bis heute eine Liste der in Thüringen repräsentativen Tarifverträge. Ohne eine solche Liste sind die Vergabestellen jedoch kaum in der Lage, die gesetzlich geforderten Tariftreueregelungen auch umzusetzen.
Year of publication: |
2021
|
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Authors: | Schulten, Thorsten |
Publisher: |
Düsseldorf : Hans-Böckler-Stiftung, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) |
Saved in:
freely available
Series: | WSI Policy Brief ; 58 |
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Type of publication: | Book / Working Paper |
Type of publication (narrower categories): | Research Report |
Language: | German |
Other identifiers: | 1769549439 [GVK] hdl:10419/240938 [Handle] RePEc:zbw:wsipbs:58 [RePEc] |
Source: |
Persistent link: https://www.econbiz.de/10012619029
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