Tschetschenien: Moskaus Rache
Dieses Essay wirft ein kritisches Licht auf den russischen Krieg in Tschetschenien, der ein Desaster ist: natürlich für Tschetschenien, aber auch für Rußland selbst und den Kaukasus. Der neuerliche Krieg ist grausam, weil er sich gegen große Teile der Zivilbevölkerung richtet und die Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes dezimiert. Er ist besorgniserregend, denn er ist ein Indiz für den fragilen Zustand des politischen Systems Rußlands und läuft Gefahr, den gesamten Kaukasus in die Gewalt hineinzureißen. Damit deutet sich dann zugleich an, wie zerbrechlich noch immer die bestehende normative Struktur der humanitären Ordnung im internationalen System ist und wie schwierig es ist, derartige kriegerische Auseinandersetzungen – vor allem wenn eine Großmacht der Aggressor ist – von außen zu „manipulieren“ bzw. zu transformieren. Es kann gezeigt werden, daß die von Moskau zu Beginn der Feindseligkeiten verkündeten Ziele nur bedingt erreicht wurden. Weit davon entfernt, Tschetschenien in den Schoß der Russischen Föderation zurückzuführen, verschärft dieser neue Krieg vielmehr das Mißtrauen und die Feindseligkeit, die sich während zweier Jahrhunderte Konfrontation angesammelt haben. Und statt die Radikalen zu schwächen, stärkt er die Fürsprecher eines Kampfes auf Leben und Tod gegen Rußland. Will man nicht auf die Politik des Schlimmsten setzen, gibt es keine andere Lösung als Verhandlungen. Doch selbst wenn Moskau begreifen würde, daß es in seinem Interesse ist, eine politische Lösung des Konflikts zu suchen, wird es nicht leicht sein, eine Lösung zu finden.
Year of publication: |
2000
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Authors: | Jean, François |
Institutions: | Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) |
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