Zur Rolle der Interbankbeziehungen
Zur Rolle der Interbankbeziehungen Die Deutsche Bundesbank registrierte im Jahre 1971 einen Wandel in den Urteilsmaßstäben der Kreditinstitute über das benötigte Maß an Liquidität, nachdem nämlich die Banken anders als in der Vergangenheit trotz eines starken Rückgangs ihrer freien Liquiditätsreserven die Kreditgewährung weiter ausdehnten. In der gleichzeitigen Zunahme der Interbankgeschäfte glaubte die Bundesbank, eine Erklärung für das geänderte Bankverhalten gefunden zu haben. Dieser Befund gibt Anlaß, den Standort der Interbankbeziehungen im Rahmen der Geldtheorie näher zu bestimmen. Die Kontroverse zwischen der Liquiditätstheorie des Geldes und der Quantitätstheorie bietet dafür den Ausgangspunkt. So geht es einmal um die Frage, inwieweit "near monies" als Geldersatz auftreten und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes beeinflussen. Zum anderen ist zu prüfen, ob etwa die Geldmenge nicht als eine endogene Größe anzusehen ist, deren Höhe sich passiv dem "Bedarf" der Wirtschaft anpaßt. Interbankgeschäfte können den Ausnutzungsgrad einer gegebenen Geldbasis erhöhen, indem sie einen Ausgleich von Zentralbankgelddefiziten und -überschüssen herbeiführen und damit das Ausmaß der Überschußreserven reduzieren. Eine Erhöhung der Geldschöpfungskapazität des Banksysiems bei unveränderter monetärer Basis tritt ferner ein durch die Verlagerung von Zentralbankgeld per Interbankbeziehungen zwischen Kreditinstituten mit unterschiedlichen Mindestreserve- und Barabhebungssätzen. Der Einfluß der Interbankgeschäfte auf die Höhe der Geldbasis selbst liegt einmal in ihrer Eigenschaft als Substitute von Offenmarktpapieren der Notenbank; dabei spielen insbesondere auch die Beziehungen zwischen den Filial- bzw. Mitgliedsbanken und ihren jeweiligen Zentralinstituten eine wichtige Rolle. Die Geldbasis erhöht sich, wenn die Banken Interbankforderungen als gute Substitute für Refinanzierungsmöglichkeiten bei der Notenbank ansehen und folgedessen verstärkt Notenbankkredite in Anspruch nehmen. Insgesamt wird man zu der Schlußfolgerung kommen müssen, daß die Zunahme der Interbankbeziehungen in der Bundesrepublik ab 1970 nicht nur eine Verbesserung der Liquiditätslage einzelner Banken, sondern auch eine Liquiditätsschöpfung aus der Sicht des gesamten Banksystems bewirkt hat. Eine Situation, in der die freien Liquiditätsreserven gegen Null gehen, setzt dieser Entwicklung einerseits eine objektive Grenze; andererseits kann dieser Zustand jedoch nicht als Beweis gegen den expansiven Einfluß der Interbankbeziehungen auf die Liquiditätslage des gesamten Bankensystems gewertet werden.
Year of publication: |
1977
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Authors: | Issing, Otmar |
Published in: |
Kredit und Kapital. - ISSN 0023-4591. - Vol. 10.1977, 4, p. 525-538
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Publisher: |
Berlin : Duncker & Humblot |
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